Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.9                                                  Dezember 1995


Bodendenkmäler in der Stubnitz

Ernst Boll schreibt 1858 über Jasmund: "ein beträchtlicher Theil der Tausende von Hünen- und Kegelgräbern, welche auf Rügen vorhanden sind, gehört dieser Halbinsel (Jasmund) an, die man den rüganischen Todtengarten nennen könnte ...".

Im Gebiet des heutigen Nationalparkes hat sich an diesem Zustand bis heute wenig geändert. Es gehört zu den wenigen Gebieten Deutschlands, in denen noch sehr viele Bodendenkmäler aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit erhalten sind. In den meisten Regionen Mitteleuropas verschwanden diese einzigartigen Zeugnisse älterer Besiedlungsperioden im Zuge der intensiver werdenden Landnutzung. Dies trifft auch für die Umgebung des Nationalparkes zu. Nachzuvollziehen ist der Verlust von Grabanlagen anhand der detaillierten Rügenkarte Friedrich von Hagenows aus dem Jahre 1829. Auf ihr sind in den Offenlandschaften noch zahlreiche Hügelgräber verzeichnet, die heute nicht mehr existieren. Teils wurden die darin enthaltenen Steinsetzungen als Steinbruch genutzt, teils wurden sie entfernt, weil sie beim ackern störten. Aber auch Schatzgräber zerstörten die Anlagen auf der Suche nach wertvollen Beigaben. So verschwanden bei Nipmerow, bei Quoltitz oder bei Neddesitz Gräberfelder, die Friedrich von Hagenow noch kartiert hatte. Dafür findet man jetzt Blöcke mit den Spuren alter Steinmetze: oberflächliche Rinnen, die mit Bleiblech ausgekleidet die Meißel und Keile aufnahmen, mit denen der Stein gespalten wurde oder Sprenglöcher. Sicher stammt ein beträchtlicher Teil der Pflastersteine alter Straßen aus den verlorenen Grabanlagen. Die wenigen verbliebenen Anlagen stehen heute unter strengem staatlichen Schutz. Glücklicherweise gingen im Gebiet des heutigen Nationalparkes nur wenige Gräber verloren.

Im Waldgebiet der Stubnitz sind mit Sicherheit auch heute noch nicht alle Bodendenkmäler entdeckt. Im Rahmen der Kartierungsarbeiten (Anfang der 70-er Jahre) konnten 154 Hügelgräber neu entdeckt werden. Damit sind insgesamt 218 Hügelgräber, fünf Großsteingräber, drei Burgwälle und ein Opferstein im Gebiet der Stubnitz bekannt. In der näheren Umgebung gibt es weitere hochinteressante Bodendenkmäler wie die Opfersteine von Quoltitz und vom Haus am Moor oder das Ganggrab von Nipmerow.

Die Burgwälle

Die spektakulärsten Bodendenkmäler sind die Burgwälle. Der am besten erhaltene Wall ist der der Hertha-Burg, einer Höhenburg am Nordufer des gleichnamigen Sees. Sie besitzt einen C-förmigen Umriß. Ihr Hauptwall erhebt sich acht bis neun Meter über die Burginnenfläche. Reste eines niedrigen Walls begrenzen diese Fläche auf der Seeseite. Der östliche Zugang in die Burg, der heutige "Eingang" ist erst in neuerer Zeit entstanden wie alte Grabungsberichte und Zeichnungen belegen. Grabungen fanden 1868 sowie 1939/1940 statt. Dabei wurde im nordöstlichen Teil der Burginnenfläche eine slawische Kulturschicht von geringer Mächtigkeit festgestellt. Außerdem fanden sich Scherben, Tierknochen, ein Schläfenring aus massiver Bronze und ein langes eisernes Messer. Die Funde befinden sich in den Museen von Stralsund und Szczecin.

Der größte Burgwall im Gebiet war ursprünglich der vom Schloßberg nahe des Forstamtes Werder. Leider fielen in den 50-er Jahren große Teile der Anlage dem Kiesabbau zum Opfer. Nach Scherbenfunden könnte der Wall in die Reihe der großen Feldberger Burgen gestellt werden, die im 8. Jahrhundert entstanden sind.

Die dritte Burg befindet sich nördlich von Sassnitz am Hochuferweg. Es ist der Abschnittswall am Hengst. Nach Untersuchungen der Universität Greifswald unter Engel ist diese Anlage bereits in vorslawischer Zeit entstanden. Bei Grabungen auf der Innenfläche des Walls wurden Herdstellen und Gefäßscherben entdeckt, die typisch für die Bronze- bzw. älteste Eisenzeit sind. Wenn auch der Wall in dieser Zeit entstanden ist, dann handelt es sich dabei um einen der ältesten Burgreste in Norddeutschland.

Die Gräber

In der Stubnitz finden sich überwiegend Hügelgräber, daneben gibt es einzelne Großsteingräber. Die Anlagen sind nicht gleichmäßig über das gesamte Gebiet verteilt. Insbesondere im nördlichen und östlichen Teil des Gebietes gibt es kaum Gräber. Das Königsgrab am Zugang zum Königsstuhl ist mit seiner Lage unmittelbar an der Küste eine auffällige Ausnahme. Die Hügelgräber sind zwei unterschiedlichen Typen zuzuordnen: Einerseits gibt es relativ große, halbkugelförmige Hügel, die einzeln stehen oder in Gruppen angeordnet sind. Andererseits finden sich Gruppen kleiner, flacher Anlagen mit viereckigen, von Steinen gefaßten Basisflächen. Das Alter der meisten Anlagen kann erst durch die Ausgrabung und Auswertung der Beigaben exakt ermittelt werden. Die Großsteingräber und ein Teil der Hügelgräber stammen aus der Jungsteinzeit (Neolithikum), etwa 5.000 bis 3.800 vor heute. In dieser Zeit breiteten sich Ackerbau und Viehhaltung auf der Insel Rügen aus. Vor etwa 3.800 Jahren gelangt Bronze in unseren Raum. Aus der Bronzezeit stammen sicher die meisten Grabanlagen in der Stubnitz. Die flachen Hügelgräber mit dem viereckigen Grundriß stammen mit größter Wahrscheinlichkeit aus der slawischen Siedlungsperiode, die etwa 1.300 Jahre vor heute begann. Es gibt jedoch auch Begräbnisplätze, die zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder zu Bestattungen genutzt worden sind. Als Beispiel dafür kann das Steinhügelgrab von Nipmerow angeführt werden. Vor der Grabung durch Rennebach im Jahre 1983 war es als bronzezeitliche Anlage eingestuft worden. Im Innern des Hügels kamen jedoch nicht die erwarteten Funde zutage, sondern ein jungsteinzeitliches Ganggrab mit Keramik, verschiedenartigsten Feuerstein-Werkzeugen sowie Bernsteinperlen und Skelettresten. Im Hügelgrab, jedoch außerhalb der Grabkammer, wurden Scherben aus der vorrömischen Eisenzeit sowie zwei slawische Körpergräber mit Beigaben gefunden.

"Opfersteine"

Sogenannte Opfersteine finden sich bei Quoltitz, am Forstamt Werder und nahe dem Haus am Moor bei Nardevitz. Sie zeichnen sich durch eingetiefte Näpfchen oder Schälchen und/oder Rinnen aus. Zu den größten Findlingen der Insel Rügen gehört der "Opferstein von Quoltitz". Er besitzt einen Rauminhalt von 27 m3 , ein Gewicht von etwa 73 t und wurde 1797 erstmals erwähnt. Vor etwa eintausend Jahren diente dieser Granitblock den Slawen als Mühlsteinbruch. Oberflächlich eingetiefte Rinnen und kreisrunde Ausbrüche zeugen von dieser Nutzung. Wesentlich älter als die Spuren der slawischen Steinmetze dürften die kleinen Schalen oder Näpfchen auf der Oberfläche des Findlings sein. Möglicherweise lassen sie sich mit steinzeitlichen Totenzeremonien in Verbindung bringen. Die ältesten bekannten Schälchen fand man neben einer altsteinzeitlichen Bestattung in einer Höhle der Dordogne. Seit der Altsteinzeit wurden im Orient und in Europa immer wieder Näpfchen auf Felsblöcken und Steinen eingearbeitet. Ihre kultische Funktion steht wohl außer Zweifel, die genaue Bedeutung aber bleibt im Dunkeln.

Hilmar Schnick


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 17.07.1998

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