Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.2                                                   November 1992


Mit der Eule unterwegs - Führungen im Nationalpark

"Das hätten wir alleine aber nicht entdeckt! Das ist ja schön." So oder ähnlich äußern sich häufig Teilnehmer an den regelmäßigen Führungen, die diesen Sommer erstmals vom neu eingerichteten Großparkplatz in Hagen zum Königsstuhl durchgeführt wurden. Manch einer denkt "Wald haben wir zuhause auch, ich will die Kreideküste sehen!" und steigt schnell in den ebenfalls eingerichteten Pendelbus. Dabei wirkt die Kreideküste nach einem Waldspaziergang viel eindrucksvoller als nach einer Busfahrt. Nicht einzelne Highlights wie der Königsstuhl alleine machen den Reiz der Insel aus und haben Maler und Dichter begeistert, sondern das harmonische Zusammenspiel aller Naturelemente.

Daß Wald nicht gleich Wald ist und daß es in ihm viel zu entdecken gibt, das wollen wir während der Führungen vermitteln. Die Route führt vorbei an wunderschönen Feuchtflächen, in denen vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten Lebensraum gefunden haben. Am "Pfennigkasten", einem Hünengrab, erfährt der Besucher etwas über das Leben der Steinzeitmenschen und ihre frühe Einflußnahme auf den Wald. Zwischen "Hallenwald", Hertha-Buche und den fast unbewirtschafteten Hangwäldern an der Steilküste läßt sich gut der Unterschied zwischen Natur- und Wirtschaftswald verstehen. Und am Wegesrand warten viele kleine Naturwunder auf uns.

Wer hätte schon gedacht, daß in den komischen Knubbeln auf den Buchenblättern, den Blattgallen, kleine Insektenlarven wohnen? Oder kennen Sie das "Wald-Taxi"? Der Mistkäfer, ein hübscher, blauschimmernder Waldkäfer ist an seiner Bauchseite häufig mit Käfermilben besetzt, die sich von trockenem zu frischem Mist tragen lassen.

Auch viele Pflanzen haben interessante Überlebenstricks, die sich gut vorführen lassen. Ein Kind, das zufällig einen Wollpullover trägt, kann z.B. zeigen, wie sich das Kletten-Labkraut verbreitet. Dessen Früchte können sich nämlich mit ihren Widerhaken hervorragend in Tierfellen oder Menschenkleidern festhaken. Erst beim nächsten Kratzen ist die Reise beendet...

So wird der Blick für die Natur geschärft, Verständnis und manchmal Ehrfurcht geweckt.

Neben allgemein naturkundlichen Themen werden natürlich auch die besonderen Belange des Nationalparkes angesprochen. Was ist ein Nationalpark überhaupt?

Warum wurde gerade hier einer eingerichtet? Was können wir tun, damit uns dieses Kleinod der Natur erhalten bleibt?

Manch einer hat nach der Führung die Initiative ergriffen und ist dem Förderverein des Nationalparks beigetreten. Diese neuen Mitglieder möchten wir hier besonders herzlich begrüßen!

Abgerundet wird die Führung mit einem Ausflug in die Sagenwelt. Seit 1616 ein Danziger Gelehrter meinte, auf Rügen den Sitz des alten germanischen Hertha-Kultes zu erkennen, erzählt man sich vom alljährlichen Bad der Erntegöttin im Hertha-See. Auf nahegelegenen Findlingen erkennt der Betrachter die Spuren gebrochener Jungfräulichkeitsgelöbnisse und unter einer besonders schönen alten Buche sollen in der Johannisnacht die Elfen tanzen.

In einer so interessanten und schönen Gegend ist es nicht schwierig, die Teilnehmer zu begeistern. Auch Kindern macht die Führung zum Erstaunen ihrer Eltern Spaß. Sie werden mit Lupen ausgerüstet und dürfen dann selbst auf Entdeckungsreise gehen. Besonders interessante Entdeckungen werden den "Großen" vorgestellt.

Aber im Trubel und der Hektik des Massentourismus fällt es schwer, die Besucher überhaupt erst anzusprechen. Mit Zeitungsankündigungen und Einlegezetteln in die Faltblätter des Nationalparkes wird versucht, die Besucher im Vorfeld zu erreichen. Ein großes Ankündigungsschild auf dem Parkplatz soll zum Spontanentschluß reizen. Aber nur ein kleiner Teil der Besucher hat Interesse an einer tiefergehenden Beschäftigung mit dem Gebiet. Die meisten bleiben auch im Urlaub geprägt von unserer modernen Schnellebigkeit und Oberflächlichkeit. Attraktionen sollen abgehakt werden, der Rest der geistigen Landkarte bleibt weiß. Doch gerade diese Besucher zu erreichen ist ungemein wichtig. In ihrer Unwissenheit und ihrem Desinteresse richten sie den meisten Schaden an. Drei Besucher, die vielleicht in Zukunft ihren Hund an die Leine nehmen, um die Ringelnattern im Hertha-See nicht zu gefährden, sind mindestens ebenso wichtig, wie sechs, denen Spezialfragen beantwortet wurden. So sind die Führungen trotz bisher geringer Teilnehmerzahlen (0-15 Personen pro Führung) als Erfolg aufzufassen.

Für die nächste Saison bleibt an der Werbung und Ankündigung zu arbeiten. Schöne und auffällige Ankündigungsplakate, eine bessere Werbung auf dem Parkplatz in Hagen und eine möglichst umfassende Präsenz in allen touristischen Veröffentlichungen auf und über Rügen sind die nächsten Ziele. Bei der immer noch knappen Personal- und Finanzausstattung des Nationalparkamtes keine leichte Aufgabe.

Die Führung selbst wurde von den beiden Praktikantinnen, die die Commerzbank dem Nationalpark für das Sommerhalbjahr finanziert, erarbeitet. Sie leiteten auch die ersten Führungen und kümmerten sich um die Bekanntmachung. Das erarbeitete Wissen legten sie schriftlich nieder, so daß weitere Exkursionsleiter sich anhand dessen einarbeiten können. Auch die Wandereule als "Wappentier" der Führungen wurde von einer Praktikantin, Frau Dürr entworfen. Derzeit werden die Führungen von der Nationalparkwacht und Herrn Merting, dem Revierförster, geleitet. Mit Saison-Ende im Oktober wird die regelmäßige Führung eingestellt und erst im nächsten Frühjahr wieder aufgenommen.

Tina Heim


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 05.08.1998

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