Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.10                                                   August 1996


Helm-Knabenkraut -

eine neue, "alte" Orchidee im Nationalpark Jasmund

Chronik einer Neuansiedlung

Das Helm-Knabenkraut

Orchis militaris L.

ist auf Rügen ebenfalls ausgestorben. Sie wurde von ZIEMSEN & HORNSCHUCH (lß19) in einer feuchten Wiese bei Campe zusammen mit Herminium und Epipactis palustris gefunden. Vom gleichen Ort erwähnen sie auch SCHMIDT (1840) und FISCHER (1861), letzterer gibt auch Garz an. MÜLLER (1898) erwähnt 0. militaris ebenfalls von Rügen. wobei es sie sehr wahrscheinlich aber nur um eine Wiedergabe des Fundes von ZIEMSEN & HORNSCHUCH handelt. Später wurde sie von BEYER (1928) und BURGENER (1959) vergeblich gesucht. Die Wiesen bei Campe sind heute eutrophiert. und das Überleben von 0. militaris an dieser Stelle ist ausgeschlossen. Orchis militaris kommt in Mecklenburg nur sehr zerstreut im südöstlichen Teil vor. Das Vorkommen auf Rügen befand sich sehr isoliert an der Arealgrenze.

Zitat aus KNAPP. H D : Die Orchideen der Insel Rügen, Mitt. des AK "Heimische Orchideen", H. 7 ( 1977),5 17 - 48)

1988. Der Autor dieses Beitrages trifft sich im Sommer mit dem damaligen Leiter des "Arbeitskreises zum Schutz heimischer Orchideen" zu einem Gedankenaustausch. Dabei kommt auch die Idee auf, einen Ansamungsversuch mit Samen von Orchis militaris von Standorten aus dem Bereich Frankfurt/Oder zu versuchen.

Orchideen-Samen sind sehr klein. Sie sind so winzig, daß ihre Reservestoffe nicht ausreichen um zu einer selbständigen Pflanze heran zu wachsen. Deshalb benötigen sie symbiotische Pilze ÆAmmenpi1ze"), die ihnen neben Wasser und Nährsalzen auch organisches Material und Wirkstoffe zufuhren. Orchideen, wie die im Gebiet des Nationalparkes vorkommenden Arten Nestwurz, Widerbart und Korallenwurz, die zur Photosynthese kaum befähigt sind, beziehen auch als fertige Pflanze alle notwendigen Nutz- und Wirkstoffe vom Pilz. Diese Randbemerkungen waren notwendig, um das Nachstehende in seiner Bedeutung werten zu können. -

Es wurde verabredet, mit Genehmigung des Arbeitskreises, den Versuch zu wagen. So wurden im Spätsommer 1988 Samen des Helm-Knabenkrautes in einem Kreidebruch ausgebracht. Die jährliche Kontrolle zeigte keinerlei Erfolge.

1992. Im Garten des Autors befindet sich eine etwa 1 m2 große Kreidefläche, auf der sich Orchideen wie die Sumpfsitter vegetativ vermehren. So wurden aus ehemals 5 (durch Sägespäne bedrohte Pflanzen) 80 - 100 Pflanzen. Im späten Frühjahr zeigten sich auf dieser Fläche mehrere hellgrüne Pflanzen, deren Zuordnung unklar war.

Juni 1994. Eine der hellgrünen Pflanzen, die auch 1993 beobachtet wurden, hat einen Blütenstand ausgebildet und zeigt die typischen Blüten des Helm-Knabenkrautes. Die dreigeteilte Lippe mit den langen, schmalen Seitenlappen ähnelt einem Strich-Männchen, die übrigen Blütenblätter bilden einen äußerlich fast weißen Helm, der innen dunkler getönt ist. Die Lippe ist randlich rosa bis purpur gefärbt und im zentralen Teil heller und mit roten, in Büscheln stehenden Härchen besetzt (Foto).

Juni 1995. Von 10 Pflanzen kommen auf der kleinen Fläche sechs Pflanzen zur Blüte. Drei davon werden mit Genehmigung des Nationalparkamtes in Speck nach der Samenreife in einen Kreidebruch umgesetzt.

Mai 1996. In einem Kreidebruch, der von dem bereits erwähnten etwa 800 m entfernt ist, werden ca. 30 hellgrüne Orchideenpflanzen beobachtet, deren Zuordnung unklar ist.

Juni 1996. Auf der Kreidefläche im Garten blühen von 9 Pflanzen drei. Aus den drei ausgesetzten Pflanzen sind im Kreidebruch vier geworden, von denen zwei einen prächtigen Blütenstand ausbilden.

Von den ca. 30 Orchideenpflanzen des anderen Bruches kommen ca. 15 an zwei verschiedenen Stellen zur Blüte. Es ist das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris).

Aus der Schilderung dieser Chronologie ergeben sich mehrere Aussagen, Fragen und Beobachtungen:.

l. In vorliegenden Fall benötigte Orchis militaris vom Samen bis zum Erscheinen der ersten Pflanzen 4 und bis zur Blüte 6 Jahre.

2.Die für das Gedeihen der Pflanzen notwendigen "Ammenpilze" müssen bereits im Samen enthalten sein, denn es ist sehr unwahrscheinlich, daß sie ausgerechnet in einer kleinen, isolierten im Hausgarten liegenden Fläche vorkommen.

3.Der Grund dafür, daß die 1988 vorgenommene Ansamung im Kreidebruch nicht, auf der Gartenfläche aber erfolgreich war - ist wohl in der Witterung der Folgejahre zu sehen, denn ab 1988 begannen mehrere sehr trockene Jahre, in denen im Garten zumindest manchmal, im Kreidebruch nie gegossen wurde.

4.Das Vorkommen der zahlreichen Pflanzen im zweiten Kreidebruch ist ungeklärt, Ansamungsversuche nicht bekannt. Da aber hier ca. 15 Pflanzen blühten, kann nicht von einem Zufall gesprochen werden, denn vorher wurden einzelne blühende Pflanzen bewußt nicht beobachtet. Zwar ist generell eine natürliche Neubesiedlung denkbar, denn Orchis militaris kommt auch noch auf den schwedischen Ostseeinseln Oeland und Gotland zahlreich vor, aber die Ansiedlung hätte von einzelnen Pflanzen ausgehend, bei günstigen Bedingungen eine stetige Zunahme der Individuen - Zahlen zur Folge haben müssen.

Wie dem auch sei. Es bleibt zu hoffen, daß die auf Rügen vor über l00 Jahren heimische Orchidee sich nun wieder heimisch fühlt und die Rügener Orchideen - Liste um eine weitere Art bereichert.

Manfred Kutscher


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 17.07.1998

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