Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.5                                                   Dezember 1993


Der Herthasee (II. Folge)

11 Meter Wassertiefe, Größe ca. 2 ha, Sand- und Schlammwasserzonen sowie bewaldete Uferzonen lassen in diesem Eisfallsee natürlich auch Fische im Wasser leben. Wenn man gegen Abend an sommerlichen Tagen in aller Stille die Wasserfläche beobachtet, sieht man hier und da die Fische spielen oder auch mal einen Hecht an der Oberfläche Wellen schlagen. Fische wie Hechte. Schleie, Plötze, Flußbarsche, Kaulbarsche, Bleie, Güster, Rotfedern, Karausche, Stichlinge und eventuell auch noch andere Arten waren noch vor 10 Jahren im Herthasee vorhanden. In der Regel war das Wasser recht klar und selbst im Sommer waren Sichtweiten von 2 bis 3 m normal. Bis Mitte der 80iger Jahre galt dieser See als "lohnendes Angelgewässer". Aus Naturschutzgründen war aber das Angeln auch damals schon nicht erlaubt - trotzdem angelten dort russische Soldaten aus Ranzow, Kinder und einheimische Bürger heimlich, obwohl in russischer und deutscher Sprache entsprechende Schilder angebracht waren.

Welche Fischarten jetzt noch im Wasser leben, kann nicht mit Sicherheit angegeben werden, es bedarf neuer Untersuchungen.

Waren noch vor 10 Jahren größere Zonen besonders im südwestlichen Teil mit Unterwasserpflanzen besiedelt und bildeten dort ganze unterseeische "Wiesen" im Uferbereich, so sind heute nur noch Schwimmblattpflanzen wie weiße Seerose und Teichseerose vorhanden (1993 2 Seerosenblüten und etwa 5 gelbe Teichrosenblüten). Auch diese beiden Schwimmblattpflanzen waren vor 10 Jahren in der ganzen südwestlichen Bucht verbreitet. Wann mögen auch diese letzten Exemplare verschwunden sein? Seerosen lieben ein nährstoffhaltiqes Wasser, verschwinden aber bei einem Überangebot.

Damit fehlen die üblichen Sauerstoffproduzenten, Nahrungsgrundlagen und Versteckmöglichkeiten für viele Lebewesen des Wassers. Ein starker Rückgang von Flora und Fauna ist zu beobachten. Schon 1985 stellten Wissenschaftler im Zusammenhang mit einem Krebssterben im Herthasee nach eingehenden Untersuchungen fest, daß das Wasser als eutroph bis stark eutroph klassifiziert werden mußte. In der Zeitschrift "Naturschutzarbeit in Mecklenburg" Heft 2/1986 heißt es auf Seite 94 u.a.: "Bedingt durch die windgeschützte Lage zeigt der See ab Mai eine ausgesprochene Schichtung." In tiefen Seen ist das meist stark ausgeprägt. So nimmt in eutrophen, d.h. nährstoffreichen Seen der Sauerstoffgehalt des Wassers mit zunehmender Tiefe stark ab. In der Bodenzone kann es sogar zum vollständigen Sauerstoffschwund kommen. Dann können die abgestorbenen Tiere und Pflanzen (z.B. Laub der Bäume) nur noch ohne Sauerstoff abgebaut werden und es entsteht schwarzer übelriechender Faulschlamm, sowie Schwefelwa5ser5toff bzw. Methan. Sehr wichtig sind die Temperaturschichtungen im Herthasee, die durch die Dichteanomalie des Wassers zustande kommt. Wasser hat bei ca. 4°C die höchste Dichte (genau 1 kg pro 1 l Wasser). Sowohl kälteres als auch wärmeres Wasser hat eine geringere Dichte, ist also leichter und steigt nach oben. Diese sogenannte Dichteanomalie ist von entscheidender Bedeutung für das Leben im Wasser. Das Tiefenwasser von Seen kann nie kälter als 4°C werden (kälteres Wasser steigt nach oben!), deshalb frieren die Gewässer von der Oberfläche her zu. Dies ermöglicht den Wassertieren ein Überwintern in den tieferen Wasserschichten (soweit dort der Sauerstoffgehalt noch ausreicht).

"Bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderzs galt der Herthasee als fischreiches Waldgewässer mit geringer Wasservegetation und in der Regel klarem Wasser. Danach setzte aufgrund nicht mehr sicher feststellbarer Tatsachen (Einbringung von Krieqsmaterial, natürliche Alterung, Eintrag organischer Laststoffe des Waldbaus, aeolischer Nährstoffeintrag etc.) eine Eutrophierung ein, so daß das Gewässer heute als eutroph bis stark eutroph klassifiziert wird. Da die durch Oberflächen - Turbulenz bedingte O2 - Zufuhr aus der Atmosphäre auf die obersten 1 bis 3 Meter des Wasserkörpers beschränkt bleibt, zusätzlich aus dem Sediment sauerstoffzehrende Ausgasungen (CH4, H2S, NH3 u.a.) erfolgen und vor allem im Tiefenwasser wirksam werden, kann das in den Sommermonaten hier zu völligem O2-Schwund führen. Dadurch treten für empfindliche Organismen äußerst kritische Zustände auf (der Edelkrebs als Kiemenatmer ist geradezu ein Indikator dafür)." (obige Quelle)

Damit wurde auf das Vorkommen der Edelkrebse im Herthasee hingewiesen, wie es auch vielen einheimischen Bürgern bekannt ist. Leider ist es oft in den letzten 20 Jahren zum "Krebssterben" gekommen, so daß nur noch wenige Exemplare unter den veränderten Gewässerbedingungen ums Überleben kämpfen.

Der Edelkrebs (Astacus astacus) ist nach der Bundesartenschutzverordnung vom Aussterben bedroht und unterliegt damit den höchsten Schutzbestimmungen unseres Landes. Überhaupt ist wenig über das Leben der Tiere in unseren heimischen Gewässern bekannt, weil man sie nicht sieht, hört oder anderweitig mit ihnen in Berührung kommt, wie es z.B. bei Vögeln der Fall ist.

Wichtig zu wissen, daß 56 % der Wirbeltiere, die auf der Erde leben, Fische sind und wir in Mecklenburg-Vorpommern z.Z. 60 % der Fische in der Roten Liste als gefährdet ausweisen.

Interessant ist, etwas mehr über ein Lebewesen des Herthasees zu erfahren, auch wenn der Edelkrebs nicht zu den Fischen, sondern zum großen Stamm der Gliederfüßer gehört, eine sehr alte Tiergruppe, die erst spät als Meerestier in das Süßwasser einwanderte. Der älteste bekannte Flußkrebs Europas wurde in der Kreide bei Ochtrup in Westfalen entdeckt. Fischereirechtlich wurden die Krebse dem Fischereigesetz M-V zugeordnet.

Krebse auf Rügen - Geschichtliches, Lebensweise und Schutzmaßnahmen - das Thema der nächsten Folge.

Fritz Schröder


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 20.07.1998

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