Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.8                                                  Juni 1995


"Ein kleines Insekt könnte Libellula fluviatilis genannt werden, da sein Körperbau einem Meeresfisch ähnelt, der Zygaena oder Libella heißt (der Hammerhai)..."

So lautet die Übersetzung des französischen Textes aus dem "L' histoire entière des poissons" von GUILLAUME RONDELET aus dem Jahre 1552.

Kein schlechter Name für diese Tiere, denn sie sind gefräßig wie die Fische, nach denen sie benannt sind. Das trifft besonders zu für die Larven der

Libellen:

Leben die Larven als "Hammerhaie des Süßwassers" im Wasser - manche Arten sogar in kleinen Wasserlachen und Pfützen -, so gehören die geschlüpften Tiere zu den schönsten und größten heimischen Insekten, zu den elegantesten Fliegern , aber auch zu den gefräßigsten Räubern, bei denen auch Kannibalismus noch nicht abgeschafft ist. Libellenähnliche Insekten mit einer Flügelspannweite von über 60cm segelten bereits vor über 250 Millionen Jahren durch die Sümpfe der Steinkohlenzeit (Karbon). Jedoch bereits zur Blütezeit der Saurier (Jura und Kreide) hatten die Libellen die Größe der heutigen Vertreter.

Die Ordnung der Libellen zerfällt in drei Unterordnungen, von denen nur zwei in Europa vertreten sind. Charakteristikum (neben anderen Merkmalen) ist, daß die Kleinlibellen im Ruhezustand die Flügel über dem Rücken zusammenklappen (nur Teichjungfern halten sie halb geöffnet), wogegen Großlibellen die ihren weit geöffnet halten. Im Gebiet des Nationalparkes konnte M. MUTH im Rahmen seiner Untersuchungen für die Diplomarbeit 1994 insgesamt 28 Libellenarten nachweiden, von denen 11 zu den Kleinlibellen und 17 zu den Großlibellen zählen.

Häufigste Kleinlibellen sind die Pechlibelle, die Becher-, Hufeisen- und Fledermaus-Azurjungfer, die Adonisjungfer und die Binsenjungfer. Unter den Großlibellen fallen besonders der Vierfleck, der Plattbauch, die Heidelibelle und die Mosaikjungfer auf. Raritäten waren die Kleine Pechlibelle, die Große Königslibelle und die Südliche Binsenjungfer. Ihr Vorkommen wird auf den warmen Sommer 1992 zurückgeführt, denn es handelt sich bei ihnen um wärmeliebende Arten, die vorwiegend im Mittelmeerraum beheimatet sind. Wenn auch Libellenvorkommen stärkeren Schwankungen unterliegen - bedingt durch Witterungs-veränderungen, Wasserführung der Larvengewässer sowie Ein- und Abwanderungen - und erst Beobachtungen über einen längeren Zeitraum reale Aussagen zulassen, so hat die Bestandsaufnahme doch gezeigt, daß

* die Libellenfauna im Nationalpark als nahezu vollständig und repräsentativ für Rügen angesehen werden kann,

* für 4 Arten der Nationalpark den derzeit einzigen bekannten Fundort darstellt,

* für 4 Arten der Bestand nur dann als gesichert angesehen werden kann, wenn eine weitere Einwanderung aus der Umgebung erfolgt,

* von den 9 nachgewiesenen Arten aus der Roten Liste M.-V. lediglich eine (Glänzende Binsenjungfer) einen individuenreichen und gesicherten Bestand besitzt.

Mit der Erfassung der Libellen-Arten des Nationalparks wurde ein weiterer Schritt in Richtung auf eine faunistische Bestandserfassung getan, die in den letzten Jahrzehnten sehr vernachlässigt wurde, in Wirklichkeit aber ähnlich interessante Ergebnisse wie im Florenbereich erbringen kann und wird.

Manfred Kutscher


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 17.07.1998

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