Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.8                                                  Juni 1995


Nationalpark und Schwangerschaft

Ein Nationalpark hat zum Ziel, Naturprozesse so ablaufen zu lassen, wie es die Natur möchte, und bietet die Möglichkeit, dies in unserer hochtechnisierten Welt den Menschen zu zeigen.

Voraussetzung dafür ist eine hohe Naturnähe auf diesem Gebiet. Aber gerade das finden wir in Mitteleuropa so gut wie gar nicht. Der Kreislauf der Natur ist hier bei uns nur noch auf kleinen Flächen vorhanden.

Wir verändern unsere Umwelt immer stärker und keiner weiß, ob diese überhaupt damit fertig wird. In einem Nationalpark besteht die Chance, dies zu beobachten und für unser Handeln daraus zu lernen.

 Elf Nationalparke gibt es  in Deutschland, doch Jasmund als der kleinste hat die besten Voraussetzungen. Er bietet auf ca. 89 % der Fläche naturnahe Wälder, die in jahrhundertelanger forstlicher Bewirtschaftung von der Artzusammensetzung her naturnah erhalten wurde. Allerdings entspricht die derzeitige Struktur in den Beständen noch nicht der natürlichen Struktur (von ganz jung bis uralt auf einer Fläche).

Bei der Gründung des Nationalparks Jasmund waren sich sowohl Forstverwaltung als auch Naturschutzüber die Einmaligkeit der doch sehr hohen Naturnähe einig. Ein Protokoll über die sofortige Festlegung von mehr als 60% der Fläche als Kernzone (von Herrn Kutscher und Herrn Sacher damals unterzeichnet) unterstreicht dies deutlich.

Während der Naturschutz aber noch Notwendigkeiten in der Strukturverbesserung im Auge hatte (großkronige, alte knorrige Bäume), war die Forstverwaltung um weiteren gesicherten Holzeinschlag als Beschgäftigungsgrundlage für ihre Mitarbeiter bemüht.

Aus diesen beiden Interessenlagen heraus schloß man einen Vertrag miteinander ab - die in letzter Zeit häufig bemühte "Waldbehandlungsrichtlinie" -, um seine jeweiligen Ziele umuzsetzen.

Aber der Natur ist das völlig egal.

Sobald die natürlichen Baumarten in ausreichender Menge vorhanden sind, erledigt sie die Strukturfragen allein ! Sogar unsere Umweltverschmutzung beeinflußt diesen Prozeß nur unwesentlich.

Andererseits gibt es im Nationalpark Jasmund soviel Arbeit, daß wir derzeit nur die allernotwendigsten Aufgaben schaffen. Sowohl für die beiden Revierförster als auch für die Waldarbeiter wäre genügend zu tun. Lediglich die Arbeitsaufgaben wären zu ändern: Statt Holzeinschlag z.B. Wegebau, Besucherbetreuung u.ä.m. Natürlich ungewohnt - und vielleicht auch nicht geliebt - aber notwendig sind diese Arbeiten, die zur Zeit nicht in vollem Umfang abgedeckt werden können. Da bei diesen Arbeiten einzig Naturmaterialien Verwendung finden sollen, ist dies ein Dauerjob. Witterung und Tourismus erfordern alle 3 bis 5 Jahre Ersatz bzw. Erneuerung der Leit- und Schutzmaßnahmen.

Also: Auf 89 % der Nationalparkfläche besteht weder die fachliche noch die soziale Notwendigkeit, regulierend einzugreifen.

Nur die "Waldbehandlungsrichtlinie" steht dem entgegen - damals politisch gewollt, aus heutiger Sicht überarbeitungsbedürftig. Nach den Worten des Ministers für Landwirtschaft und Naturschutz wird dies bis 1996 auch geschehen.

Der Nationalpark Jasmund könnte der Nationalpark Deutschlands sein ! Das erfordert aber, daß sich alle Verantwortlichen zu diesen einmaligen Voraussetzungen und vor allem zur konsequenten Umsetzung der Nationalparkidee bekennen.

Ein bißchen Schwangerschaft geht nun einmal nicht !

G. Klötzer


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 17.07.1998

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