Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.11                                                   August 1997


Manfred Kutscher - Die Orchideen der Insel Rügen

(veränderter Auszug aus Ber. Arbeitskr. Heim. Orchid.14 (1); 1997)

1. Einleitung

KNAPP (1977) hat in großer Ausführlichkeit eine Erfassung des Orchideenbestandes der Insel Rügen vorgenommen. Dabei geht er von den publizierten Beobachtungen durch SCHMIDT (1840), ZABEL (1859), FISCHER (1861), MARSSON (1869), HOLZFUSS (1925) und BEYER (1928) aus und untersucht den Bestand und die Gefährdung der Arten. BÜRGENER (1959) führte für die Insel 30 Orchideen-arten an, nachdem BEYER (1928) bereits 27 Arten nennt, von de-nen er 26 selbst fand. BÜRGENER bezeichnet jedoch 4 Arten als ausgestorben oder nur vorübergehend vorhanden. KNAPP erwähnt 31 Arten, von denen jedoch mit Orchis morio (1961), Orchis pa-lustris (1959), Orchis militaris (1861), Herminium monorchis (1950), Malaxis monophyllos (1930), Hammarbya paludosa (1966), Listera cordata (1944), Ophrys apifera (1867) und Anacamptis pyramidalis (1838) letzte Beobachtungen zum Teil weit zurück lagen.

KUTSCHER (1983) ergänzt KNAPP´S Bestandsaufnahme um neue Beobachtungen, wobei seine Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

KNAPP resümiert 1977, daß gegenüber dem Artenbestand des vori-gen Jahrhunderts besonders die Moor- und Wiesenorchideen am stärksten zurückgegangen sind. Er sieht jedoch auch eine Chance, daß die Insel auf Grund ihrer räumlichen Abgeschiedenheit als ein Gebiet mit reicher Naturausstattung erhalten werden kann. Dafür reichten jedoch die damals bestehenden Naturschutzmaßnahmen nicht aus.

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Chance genutzt und für Rügen mit dem Nationalpark Jasmund, dem Biosphärenreservat Südost-Rügen und Teilen des Nationalparkes Vorpommersche Boddenlandschaft großflächige Landschaften der Insel unter Schutz gestellt. Die Planung sieht zudem vor, auch die restlichen Bereiche Rügens (mit Ausnahme der Gemeinden, der Gewerbegebiete und einiger anderer Bereiche) als Landschafts-schutzgebiet bzw. Naturpark auszuweisen.

Besonders vor diesem Hintergrund scheint es geboten, eine Neuaufnahme des Orchideenbestandes vorzunehmen, die die Realität darstellt und (mit einer Ausnahme) nur Nachweise nach 1990 berücksichtigt.

Für Informationen bin ich Niels Faurholt (Køge, Dänemark), Familie Klaus Gräber (Oldesloe), Gerd Mathiak (Göhren) und Dr. Alfred Buchholz (Stralsund) zu Dank verpflichtet. Herrn G. Hamel (Heinersdorf) danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die Anregungen.

2. Die Orchideen - Arten

Die nachstehenden Ausführungen erheben bezüglich der Fundorte keinen Anspruch auf Vollständigkeit und basieren ausschließ-lich auf Beobachtungen des Autors und der in Punkt 1 genannten Personen. Eine detaillierte Kartierung existiert nicht. Somit besteht also durchaus die Möglichkeit, daß auch an anderen als den angegebenen Standorten Orchideenvorkommen existent sind.

2.1. Gattung Orchis L.

2.1.1. Orchis purpurea HUDS.

Für das Purpurknabenkraut sind Standorte im Land Mecklenburg-Vorpommern lediglich von Rügen bekannt. Als submediterran-ozeanische Art bevorzugt sie die luftfeuchten Übergangsberei-che zwischen Wald und offenen Bereichen an den Steilhängen von Jasmunds Außenküste. Ihr Verbreitungsareal reicht aber vom schattigen Hangwald bis zu Kalk-Trockenrasen. So befindet sich ein sich ausdehnendes Vorkommen in einem Trespen-Trockenrasen bei Dargast. Wenngleich es richtig ist, daß Orchis purpurea von Natur aus keiner Gefährdung unterliegt (KNAPP, 1977) und die angegebenen Werte (150 - 500 Exemplare) noch bestätigt werden können, sind die Bestände durch Reduzierung der Offenbereiche im Küstenbereich gefährdet.

Rückzugsnischen für Orchis purpurea wären die Kreidebrüche Jasmunds, in denen aber bisher keine Exemplare beobachtet wurden.

2.1.2. Orchis mascula L.

Das Stattliche Knabenkraut wächst auf Rügen in lichteren Wäldern (vor allem in Küstennähe), aber auch - zusammen mit Dactylorhiza majalis - auf Quell- und Feuchtwiesen.

So existieren Vorkommen mit mehr als 50 Pflanzen im Küstenwald zwischen Lohme und Blandow, im Niederwald von Quoltitz und auf einer Feuchtwiese im Nationalpark Jasmund. Das Vorkommen in der Nähselow ist mit zumeist blütenlosen Pflanzen zwar noch existent, aber durch zu starken Kronenschluß der Buchen extrem beschattet.

Die Aussage, daß Orchis mascula die verbreitetste Orchis-Art auf Rügen sei, ist somit noch zutreffend (KNAPP, 1977).

2.1.3. Orchis militaris L.

KNAPP (1977) schreibt, daß das Helm-Knabenkraut auf Rügen ausgestorben ist, da diese Orchidee seit 1861 nicht mehr beobachtet wurde. KUTSCHER (1983) führt diese Orchidee in seinen Bemerkungen nicht auf. 1996 konnten erstmals in einem Kreide-bruch in Mittel-Jasmund etwa 40 Pflanzen (davon 15 in Blüte) beobachtet werden. In einem anderen Bruch wurden 1995 drei Pflanzen ausgesetzt, die über Aussaat (1988) aufgelaufen waren und von denen 1996 zwei Pflanzen blühten. 1997 kommen etwa 20 Pflanzen zur Blüte.

Wie stabil diese Bestände sind, werden die nächsten Jahre zeigen. Orchis militaris kommt damit auf Rügen im Kalk-Magerrasen vor.

2.2. Gattung Dactylorhiza NECKER ex NEVSKY

2.2.1. Dactylorhiza incarnata (L.) SOÓ

Die Fleischfarbene Kuckucksblume kommt in Kleinseggen- und Juncus subnodulosus-Gesellschaften kalkreicher Niedermoore vor. Zahlreiche der in der Literatur angegebeneStandorte existieren nicht mehr.

D. incarnata wurde in den letzten Jahren in der Schmalen Heide, in einem Feuchtwiesenkomplex bei Saiser und am Ossen (NE Bergen) gefunden. Desgleichen ist sie auf Mönchgut (Thiessow) und im Raum Putbus existent. Alle Bestände sind durch die zurückgehende oder fehlende Nutzung bedroht (was übrigens auch für Dactylorhiza majalis und Dactylorhiza baltica zutrifft).

2.2.2. Dactylorhiza majalis (RCHB.) HUNT & SUMMER HAYES

Ähnliche Ansprüche wie D. incarnata stellt auch die Breitblättrige Kuckucksblume an ihren Lebensraum. Sie verträgt allerdings höheren Bewuchs etwas besser als die empfindliche D. incarnata. Das ist wohl der Grund, warum sie eine größere Ver-breitung besitzt. In den letzten Jahren haben sich die Bestän-de allerdings deutlich reduziert. Dafür scheinen vor allem zwei Gründe ausschlaggebend zu sein:

1. fehlende extensive Nutzung

2. relativ trockene Jahre zwischen 1988 und 1994 und das damit verbundene Absinken des Grundwasserspiegels

Eine Aufzählung einiger Standorte wie Feuchtbereiche bei Rusewase, Quoltitz, Saiser, Putbus, Bergen, Lobbe und Zittwitz sowie in der Schmalen Heide und im Kreidebruch Wittenfelde be-stätigen das oben Gesagte. Auch in einigen auflässigen Kreidebrüchen konnte D. majalis beobachtet werden. Besonders erwähnenswert ist das Vorkommen bei Saiser. Hier kommen jährlich mehrere hundert Exemplare zur Blüte, deren Variationsbreite sehr weit gespannt war und sogar Subspecies und/oder Bastarde vermuten ließ.

2.2.3. Dactylorhiza baltica (KLINGE) SENGH.

Die auch als Unterart von D. majalis angesehene Orchidee be-vorzugt ebenfalls Feuchtwiesen und konnte bisher nur auf einer Wiese in der Nähe Bergens beobachtet werden. Ihre Blütezeit liegt zwischen D. majalis und incarnata. Möglicherweise gibt es noch andere Standorte. Die Variationsbreite der Dactylorhiza-Arten erschwert allerdings das Erkennen der Art (Unterart).

2.2.4. Dactylorhiza fuchsii (DRUCE) SOÓ

Die Fuchs-Kuckucksblume ist vorwiegend auf den Raum Ost-Rügen beschränkt. Hier besiedelt sie die trockenen, sonnigen Kreidehänge sowie die Halbtrockenrasen Nord-Jasmunds und Wittows. Sie ist aber auch in verschiedenen lichten Buchenwaldgesell-schaften und in Feuchtwiesen anzutreffen. Ein weiterer Schwerpunkt sind die auflässigen Kreidebrüche Jasmunds und deren vorgelagerte Haldengelände.

Bei dieser Aufzählung müssen die Standorte in Feuchtbereichen mit gewissem Vorbehalt versehen werden, da besonders auf diesen Standorten eine sichere Zuordnung der Exemplare zu D. fuchsii oder der nachfolgenden D. maculata nicht immer gegeben ist. Bei den Exemplaren auf Xerotherm-Standorten ist dagegen bei Berücksichtigung der zweifellos großen Variationsbreite der Art eine Zuordnung nur ausnahmsweise schwierig.

D. fuchsii ist die vielleicht häufigste Orchidee Rügens, aber im Gegensatz zur ähnlich häufigen Listera ovata stärker räumlich beschränkt.

2.2.5. Dactylorhiza maculata(L.) SOÓ

Während D. fuchsii eine weitverbreitete eurosibirische Waldorchidee ist, bleibt die Gefleckte Kuckucksblume auf das atlantische Europa beschränkt. Sie liebt oberflächlich versauerte Niedermoore. Bei aller Vorsicht der artlichen Zuordnung scheint sie in der Schmalen Heide in mehreren Exemplaren vorzukommen. Möglicherweise ist sie auch noch in anderen Feuchtgebieten nachweisbar.

2.3. Gattung Epipactis ZINN em. SW.&RICH4

2.3.1. Epipactis palustris (MILL.) CRANTZ

Die Sumpfsitter - die Orchidee des Jahres 1998 - ist genau wie D. incarnata ein Vertreter der Kleinseggen- und Juncus subnodulosus-Gesellschaft kalkreicher Niedermoore und kommt oft mit ihr zusammen vor. Typisches Beispiel dafür sind die Feuchtbereiche von Saiser, der Schmalen Heide, Putbus und Groß Zicker.

2.3.2. Epipactis atrorubens (HOFFM.) SCHULT.

Die Braunrote Sitter oder Strandvanille ist an mehreren Stellen vorrangig der nach Osten geneigten Kreidehänge des Nationalparkes Jasmund anzutreffen, wo sie zusammen mit D. fuchsii, Gymnadenia conopsea, Epipactis helleborine, Origanum vulgare, Rubus saxatilis, Vincetoxicum hirundinaria und Campanula persicifolia vorkommt. Aber auch in auflässigen Kreidebrüchen (siehe 2.3.1.) Jasmunds (Buddenhagen, Quoltitz, Hoch Seelow) und dem Steilufer der Granitz nördlich Sellin ist E. atrorubens nachweisbar. Zu vermuten sind außerdem Vorkommen auf Mönchgut (Göhren).

2.3.3. Epipactis helleborine (L.) CRANTZ

Die Breitblättrige Sitter ist eine der verbreitetsten Orchideen der Insel, die mit unterschiedlichen Standortbedingungen zurechtkommt. Von Natur aus sichere Bestände hat sie an den Steilhängen der Stubnitz, wo sie lediglich durch Uferabbrüche gefährdet ist (siehe 2.1.1.). Dort kommt sie an schattigeren Standorten als E. atrorubens, aber zuweilen auch mit ihr zusammen vor. Bei den anderen Standorten handelt es sich zumeist um Gebüschsäume oder leicht schattige, feuchte Stellen.

Das trifft zum Beispiel für die Standorte in Quoltitz, den Wegrand zu den Steinfeldern, Lubitz, Ruschvitz, Göhren und das Wäldchen westlich Gager zu.

Auffällig ist, daß die auf kreidigem Untergrund stehenden Ex-emplare zumeist eine gelb-grüne Blütenfärbung besitzen, wäh-rend die auf Sandboden wachsenden deutlich farbiger (mit Rot- und Purpur-Nuancen) sind.

Ob es sich eventuell um Exemplare handelt, deren Merkmalsinventar den Rahmen der möglichen Variabilität übersteigt, wagt der Autor nicht zu entscheiden.

2.3.4. Epipactis confusa YOUNG

Die Verkannte Sitter besitzt einen zierlichen Habitus. Die Blüten bleiben gegenüber den vorigen Arten mehr oder weniger geschlossen. FÜLLER (1974) gibt sie für Rügen an und tatsächlich konnte sie an mehreren Stellen im Nationalpark nachgewiesen werden (FAURHOLT, 1993).

2.4. Gattung Cephalanthera RICH

Die im gesamten mediterranen Raum mit sechs Arten vorkommenden Waldvöglein sind auf Rügen mit 3 Arten heimisch. Während die reinen Arten des Mittelmeerraumes kurz gespornt sind, tragen die heimischen Arten keinen Lippensporn.

2.4.1. Cephalanthera rubra (L.) RICH.

Das Rote Waldvöglein ist die seltenste der heimischen Waldvöglein-Arten, die als Charakterarten der Orchideen-Buchenwälder ihren bevorzugten Lebensraum im lichten kalkstockenden Buchenwald haben.

Vom Roten Waldvöglein sind nur wenige Fundorte aus der Stubnitz und der Granitz bekannt, wo es vereinzelt (1 bis 10 Pflanzen) im aufgelichteten, meist hangnahen Buchenwald zur Blüte kommt. Begleiter unter den Orchideen sind vor allem die beiden anderen Cephalanthera-Arten, Listera ovata, Dactylorhi-za fuchsii und hin und wieder Neottia nidusavis.

2.4.2. Cephalanthera damasonium (MILL.) DRUCE

Das Bleiche Waldvöglein, das allgemein als verbreitetste Cephalanthera-Art angegeben wird, scheint engere Ansprüche an den Boden zu stellen als ihre Schwesterart Cephalanthera longifolia. Auf Rügen ist sie vor allem im küstennahen, lichten Kalk-Buchenwald anzutreffen, wo sie vereinzelt bis häufig zusammen mit den unter 3.4.1. genannten Arten vorkommt. Kurzzeitig konnte sie auch in einem auflässigen, stärker verbuschten Kreidebruch nachgewiesen werden.

2.4.3. Cephalanthera longifolia (L.) FRITSCH

Das Lang- oder Schwertblättrige Waldvöglein kommt neben den oben genannten Fundorten auch in lichten Waldbereichen vor, wo die Bindung an kalkigen Untergrund nicht so augenscheinlich ist. Dazu zählen Vorkommen auf Wittow und den sandigen, bewaldeten Steilufern der Nähselow, wo sie zum Teil in stattlichen Exemplaren zu beobachten ist. Für die Orchideen des Kreises Eisenach bestätigt ECCARIUS (1983) diese Beobachtung.

2.5. Gattung Listera R.BR.

2.5.1. Listera ovata (L.) BR.

Das Große Zweiblatt stellt wohl die geringsten Ansprüche aller heimischen Orchideen an ihren Lebensraum. Ihr reicht es, wenn ein Mikroklima eine gewisse Feuchtigkeit garantiert. Und so ist sie auch in den lichten, kalkstockenden Buchenwäldern ge-nauso präsent wie auf Feuchtwiesen, in Gebüschsäumen und auf Kalk-Trockenrasen. Verbreitet bis häufig kommt die unauffällige Orchidee auf Mönchgut, in der Granitz, Stubnitz, Wittow, Nähselow, Schmalen Heide, Jasmund, Ummanz, Putbus usw. vor.

2.6. Gattung Platanthera RICH.

2.6.1. Platanthera bifolia (L.) RICH.

Diese eurosibirische Waldorchidee besitzt genau wie ihre Schwesterart zahlreiche Fundorte in den Rügener Waldbereichen. So kommt die Weiße Waldhyazinthe in der Stubnitz, Granitz, Nähselow, bei Quoltitz, bei Putbus und an diversen anderen Stellen vor. Überall ist sie jedoch sehr individuenarm. Geschlossene Vorkommen von 20 bis 30 Pflanzen stellen da schon Seltenheiten dar.

2.6.2. Platanthera chlorantha (CUSTER) RCHB.

Nach KNAPP (1977) soll die Grünliche Waldhyazinthe häufiger als ihre Schwesterart sein und sie auf Westrügen vertreten. ECCARIUS (1983) schreibt für die Eisenacher Verhältnisse, daß sie strenger an Kalkunterlage gebunden ist als P. bifolia. Insofern muß die Aussage bezüglich Westrügen relativiert werden, denn auf Westrügen sind basische Böden deutlich schwächer ausgeprägt als in den Kreidegebieten des östlichen Rügen.

Vereinzelte Nachweise für die Stubnitz, Quoltitz und Pastitz liegen vor, von häufig kann jedoch keine Rede sein. Die Westrügener Vorkommen sind nicht überprüft, dürften sich seit 1955 - 1960 aber stark verringert haben.

2.7. Gattung Gymnadenia R.BR.

2.7.1. Gymnadenia conopsea (L.) R.BR. subsp. densiflora (WAHLENB.) RICHTER

Die Händelwurz ist auf Rügen nur noch auf Xerotherm-Standorten vertreten, wo sie auf unbewaldeten Flächen auf mehr oder weniger festgelegtem Kreideschutt vorkommt. So existieren Vorkommen an verschiedenen Stellen der Ostküste Jasmunds und in aufgelassenen Kreidebrüchen im Bereich Quoltitz. BUCHHOLZ (mündliche Mitteilung) fand sie in der Granitz.

Ob das von KNAPP erwähnte Vorkommen bei Groß Zicker noch existiert, ist nicht bekannt.

2.8. Gattung Epipogium R.BR.

2.8.1. Epipogium aphyllum SW.

Der Blattlose Widerbart ist wohl die Orchidee, die in ihrem Bestand und dessen Entwicklung am schwierigsten zu beurteilen ist. Abgesehen davon, daß die seltsam bizarre Pflanze schwer aufzufinden ist, erscheint sie so unregelmäßig, daß sie sogar über Jahre und Jahrzehnte hinweg aussetzen kann. Der letzte Nachweis stammt aus den Jahren 1979 und 1980, wo ein bzw. zwei Exemplare in der Stubnitz nahe der Straße nach Rusewase beob-achtet wurden.

Eine deutliche Gefährdung scheint im Gebiet der Stubnitz für diese chlorophyllfreie Orchidee mit vollmykotropher Lebensweise nicht zu bestehen. Im Gegenteil. Die Einstellung jeglicher Nutzung im Nationalpark - auch der Forstwirtschaft - dürfte sich gerade für diese Orchidee positiv auswirken.

2.9. Gattung Corallorhiza CHÂTELAIN

2.9.1. Corallorhiza trifida CHÂTELAIN

Auch die Korallenwurz ist eine vollmykotrophe Orchidee, bei der allerdings die Ausbildung von Blattgrün in geringer Menge erfolgt. Wie beim Blattlosen Widerbart erreicht die Pflanzen-höhe kaum mehr als 10 cm. Allerdings sind die Blüten erheblich kleiner als bei der vorigen Art. Die im Kalkbuchenwald wachsende Pflanze fällt somit kaum auf. So ist es nicht verwunderlich, daß Fundmeldungen selten sind, obwohl die Pflanzen in der Stubnitz und Granitz sicherlich mehrere Standorte haben. Nachweise gibt es aus der Stubnitz (Waldhalle, Arndt-Sicht, Victoria-Sicht).

Ihr Bestand scheint mit der Ausweisung des Nationalparks gesichert.

2.10. Gattung Neottia GUETT.

2.10.1. Neottia nidus avis (L.) RICH.

Die Nestwurz ist die dritte der vollmykotrophen Orchideen im Gebiet. Sie ist auch gleichzeitig die auffälligste und mit einer Pflanzenhöhe von nicht selten 30 cm und mehr von respektabler Größe. Sie bevorzugt auf Rügen schattige Buchenwälder und ist zumindest im Nationalparkgebiet (Stubnitz) noch häufiger anzutreffen. 2 bis 4 Pflanzen dicht neben dem Hauptwanderweg sind keine Seltenheit. Nachweise liegen auch aus der Granitz und dem Wäldchen von Dwasieden (Sassnitz), sowie Bisdamitz, Göhren und Quoltitz vor. Vorkommen dürfte sie auch in der Nähselow haben. Nachweise liegen allerdings derzeit nicht vor.

2.11. Gattung Liparis RICH.

2.11.1. Liparis loeselii (L.) RICH.

Als Standorte bevorzugt das Sumpfglanzkraut braunmoosreiche Kleinseggenriede. Nach KNAPP (1977) ist sie die verbreitetste Moororchidee. Jüngste Nachweise stammen aus den 60- und 70-er Jahren (KNAPP, 1977). Aktuelle Nachweise gibt es lediglich für ein Vorkommen in der Schmalen Heide am Kleinen Jasmunder Bodden. Dieses Vorkommen ist jedoch durch fortschreitende Aus-breitung eines Erlenbestandes und hohen Schilf- und Farnaufwuchs bedroht.

Möglich erscheinen Vorkommen in Saiser und in den Mooren der Stubnitz. Nachweise liegen allerdings trotz einer Florenerfassung in den Mooren des Nationalparkes Jasmund nicht vor.

2.12. Gattung Goodyera R.BR.

2.12.1. Goodyera repens (L.) R.BR.

Das Netzblatt (auch Mooswurz) siedelt vorwiegend in Dünenkiefernwäldern in der Nadelstreu, Moospolstern oder zwischen Empetrum nigrum. Dementsprechend liegen aktuelle Nachweise auch aus der Schaabe (beiderseits der Straße), den Heidemooren der Schmalen Heide und dem Pyrola-Kiefernwald der Prora zwischen Straße und Düne sowie aus der Nähselow vor. Besonders in der Schaabe sind Trupps von 30 - 40 Pflanzen anzutreffen.

2.13. Gattung Ophrys L.

2.13.1. Ophrys insectifera L. em. L.

KNAPP (1977) nennt für Rügen Ophrys apifera. Dabei war und ist O. apifera im gesamten norddeutschen Flachland und den östlich und nördlich angrenzenden Gebieten (Ausnahmen: Rügen und Schleswig-Holstein) sonst nicht nachweisbar.

Der letzte Nachweis soll von 1867 aus der Stubnitz stammen. Es wäre somit der am weitesten nach Nordosten vorgeschobene Fundort. Der Nachweis ist zumindest umstritten, da sichere Belege (z.B. die von HOLZFUß, 1925 erwähnten Exemplare im Stettiner Museums - Herbar) nicht mehr vorliegen.

Anders verhält sich dagegen die Fliegenragwurz Ophrys insectifera, die zumindest bis Gotland nachweisbar ist und in Mecklenburg-Vorpommern in den Peenewiesen bei Gützkow einen nennenswerten Bestand hat.

So verwundert es eigentlich nicht, daß in den 90-er Jahren dä-nische Botaniker Ophrys insectifera nachweisen konnten. Dabei handelt es sich um ein Exemplar in einem schwer zugänglichen Bereich des Nationalparkes Jasmund. Der Standort läßt vermuten, daß noch mehrere Pflanzen dieser in der Vegetation wenig auffälligen Pflanze vorkommen. Am Fundort steht sie mit O. purpurea und C. longifolia zusammen.

2.14. Gattung Cypripedium L.

2.14.1. Cypripedium calceolus L.

Fundorte des Frauenschuh sind nur von der Halbinsel Jasmund bekannt und auch hier beschränken sie sich (mit einer Ausnahme) auf die Bereiche des Cynancho-Fagetum, einer aufgelockerten Baum- und Strauchschicht an der Grenze zwischen Wald und Halbtrockenrasen. Ein weiteres Vorkommen existiert auf einer nordexponierten Kreidescholle im Juniperus communis - Cornus sanguinea - Gebüsch.

Eine Gefährdung besteht lediglich durch Uferabbrüche und Raubgrabungen.

5. Literatur

BEYER, T. (1928) : Der Orchideenreichtum Rügens.-2. Auflage, Bergen

BÜRGENER, O. (1959) : Rügens Orchideen einst und jetzt.- Arch. Nat. Meckl., 5, 184-194

ECCARIUS, W. (1983) : Die Orchideen des Kreises Eisenach.- Eisenacher Schr. zur Heimatkunde, Heft 24, 1-102,Eisenach

FAURHOLT,N. (1993) : Besøg Nationalpark Jasmund.- Orchideer (weiteres nicht bekannt)

FISCHER, J.K. (1861) : Verzeichnis der Gefäßpflanzen Nord-vorpommerns und Rügens.- Stralsund

HOLZFUSS, E. (1925) : Die Familie der Orchideen in Pommern.- Abh. Ber. Pomm. Nat. Ges., 6, 9-24

KNAPP, H.D. (1977) : Die Orchideen der Insel Rügen.- Mitt. d. Arbeitskreises Heimische Orchideen des Zentralen Fachausschusses Botanik im KB der DDR, 7, 17-48

KUTSCHER, M. (1983) : Bemerkungen zu den Orchideen der Insel Rügen.- Natur und Umwelt, Beiträge aus dem Bezirk Rostock, 66-70

MARSSON, T. (1869) : Flora von Neu-Vorpommern und den Inseln Rügen und Usedom.- Leipzig

SCHMIDT, T. (1840) : Flora von Pommern und Rügen.-Stettin

WUCHERPFENNIG, W. (1993): Epipactis albensis Novakova & Rydlo.-Brandenburg. - Ber. Arbeitskr. Heim. Orchid. 10 (2), 36 - 40

ZABEL, H. (1859) : Übersicht der Flora von Neu-Vorpommern und Rügen.-Arch. Nat. Meckl., 13, 14-93

Manfred Kutscher

Link: Forum heimische Orchideen

Link: Niederländische Orchideenseite mit einem Forum zu europäischen Orchideen


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 21.02.2007

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