Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.2                                                   November 1992


Umweltpädagogik im Nationalpark Jasmund

Das Jahr neigt sich dem Ende. Es wird kälter und die ersten Nachtfröste bedecken Wiesen und Felder mit Rauhreif.

Es fliegen auch kaum noch Insekten durch die Gegend, denn als wechselwarme Tiere sind sie auf Wärme von außen angewiesen, um ihren Kreislauf in Schwung zu bringen.

Das war im Frühsommer anders! Da pulsierte das Leben im Wald und an der Kreideküste! Überall krabbelten Käfer und Ameisen in irgendwelchen wichtigen Missionen umher. Wildbienen und sogar schwere Käfer brummten zielstrebig über die Lichtungen in der Stubnitz. Hinter jedem Grashalm gab es etwas zu beobachten und zu entdecken!

Außerdem standen in den Sassnitzer Schulen die Sommerferien bevor, Kinder und Lehrer wollten viel lieber durch den Wald als in stickigen Klassenräumen herumzusitzen...

Was bietet sich da mehr an als ein Wandertag durch den Nationalpark?

Und was bietet sich mehr für den Nationalpark an, als diese Gelegenheit für seine Umweltbildung zu nutzen?

Also veranstalteten wir mit den Schulklassen des vierten Jahrganges aus Sassnitz Wald-Wandertage.

Wir, das sind Herr Schnick, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit in Nationalparkverwaltung, Tina Heim und ich selbst, Ulrike Dürr. Wir zwei Biologiestudentinnen und Commerzbank-Praktikantinnen haben April bis September in der Öffentlichkeitsarbeit mitgewirkt.

Durch eigene langjährige Erfahrung im Natur-Entdecken und Erleben mit Kindern und Jugendlichen im Deutschen Jugendbund für Naturbeobachtung (DJN) habe ich eine Menge Ideen gesammelt, wie man Kindern spielerisch die Natur näherbringen kann (und im übrigen nicht nur Kindern).

Also zogen wir los: Ein Haufen quirliger Zehnjähriger und Lehrer, die froh waren, einmal selbst im Hintergrund bleiben zu dürfen.

Selbstverständlich bleiben wir bei unseren Entdeckungstouren auf den Wegen und lassen auch keinen Müll im Wald liegen. Daß Coladosen tödliche Fallen für Käfer und Schmetterlinge sind und daß Vögel an verschlucktem Bonbonpapier sterben können, leuchtet schließlich ein!

Huch: Was war das? Ein brummendes Etwas sich auf ein Blatt gesetzt. Mit einem Kescher fangen wir das Tier und setzen es in ein Schnappdeckelgläschen, so daß alle es in Ruhe beobachten können.

Was so aussieht wie eine Biene aber gar nicht sticht, ist eine Schwebfliege, die nur so tut als könne sie stechen, damit

ihre Feinde denken, sie könne stechen und sie in Ruhe lassen.

Ganz logisch. nicht wahr?

Und wir entdecken mit den Kindern noch viel mehr: Wieviele Augen hat eine Spinne? Wieviele Beine hat eigentlich ein Käfer? Welche Tiere leben in der Laubstreu des Waldbodens? Warum werden die toten Bäume extra im Wald liegengelassen?

Die Kinder lernen, kleine Tiere behutsam in Gläschen zu setzen und mit einer Lupe genauer zu betrachten. Dank einer Spende der Firma Fielmann aus Hamburg besitzt der Nationalpark seit diesem Sommer 30 Einschlaglupen von l0facher Vergrößerung. So kann jedem Kind für den ganzen Tag eine Lupe um den Hals gehängt werden, damit es selbständig und mit einem Gläschen ausgestattet auf Forschungsreise gehen und in Ruhe den anfangs nicht leichten Gebrauch des Gerätes üben kann.

Selbstverständlich setzen wir die Tiere genau dort wieder aus, wo wir sie eingefangen haben, denn dort sind sie zuhause und kennen sich aus. Und dort haben sie wichtige Aufgaben im Kreislauf der Natur zu erfüllen.

Jedes Tier und jede Pflanze ist wichtiger Bestandteil des Gesamt-Ökosystems. Bei einem Natur-Versteckspiel, in dem wir jeder selbst ein Tier repräsentieren, decken wir Zusammenhänge auf und sind am Ende über einen Bindfaden alle miteinander verknotet.

Durch die Arbeit mit Kindern möchten wir mehr Verständnis für die Natur und den Nationalpark schaffen. Die Kinder entwickeln auf den Wandertagen eine persönliche Beziehung zu den Tieren und Dingen, die sie beobachtet und in der Hand gehalten haben. Sie lernen die Natur kennen, lieben und verstehen. Hinter unserer Bildungsarbeit steht der Gedanke: Natur erleben - Natur verstehen - Natur schützen!

Und so ist viel gewonnen, denke ich, wenn mir am Ende eines Wandertages ein Mädchen ins Ohr flüstert: "Ich mag Spinnen!" Bei den Kindern bleibt es nicht stehen. Sie gehen nach Hause und erzählen dort, was sie erlebt und über "ihren" Nationalpark gelernt haben: Warum man dort keine Blumen pflücken sollte, Käfer nicht tottreten und Schnecken nicht vergiften soll. Daß Libellen gar nicht stechen, wie immer behauptet wird und vieles mehr. Und vielleicht wird die Familie neugierig...

Die Angebote des Nationalparkes an die örtlichen Schulen werden mit Begeisterung angenommen, und es ist zu hoffen, daß auch im nächsten Jahr Praktikanten und Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die Zeit und Energie genug haben, die in diesem Jahr begonnene Arbeit fortzusetzen. Vielleicht wird der Nationalpark auch irgendwann einmal Binokulare und Mikroskope für intensivere naturkundliche Arbeit mit Schülern und Studenten zur Verfügung haben. Auf jeden Fall sind wir auf dem richtigen Weg, denke ich.

Ulrike Dürr


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 05.08.1998

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