Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.4                                                   September 1993


Quellen und Bäche im Nationalpark Jasmund

Die Bäche des Nationalparkes entspringen im Innern der Halbinsel Jasmund und sind zumeist die Abflüsse kleiner Moore. Zu den größeren, in die Ostsee mündenden Bächen gehören von Süd nach Nord: Tribber Bach, Steinbach, Lenzer Bach, Wissower Bach, Leescher Bach, Kieler Bach, Kollicker Bach, Steinbach bei Stubbenkammer, Gesnicker Bach und außerhalb des Hationalparkes Limmerbach, Mühlengrundbach, Schwieser Bach und Nardevitzer Bach. Nahezu allen dieser Bäche ist ein eigenartiger Aufbau gemeinsam:

Im Steilufer kurze schlammartige Schluchten mit sehr starkem Gefälle. Daran schließt sich landeinwärts ein normaler, sehr viel flacher nach Osten sich senkender Talboden an, der bis an die Steilküste den zuletzt tief in ihm eingeschnittenen Bach begleitet. Das oberste Ende dieser Bäche wird im allgemeinen von abflußlosen Senken oder von mehr oder minder vollständig von Moorbildung eingenommenen Vertiefungen umschlossen. Und so besteht jeder dieser Bäche aus 3 Teilen: dem Quellmoor oder der Quellwiese, dem Verbindungsstück und der Erosionsrinne. Quellmoore und Verbindungsstücke können in trockenen Jahren oft nur ganz geringe Wassermengen liefern, so daß einige Bäche im Oberlauf austrocknen. In den Erosionsrinnen dagegen ist der Wasserlauf viel kräftiger. Hier schneidet der Bach nämlich die mit Grundwasser gesättigten Sande über dem Geschiebemergel oder der Kreide an und erhält auf diese Weise Wasserzufuhr aus tiefer liegenden Erdschichten. Durch diese Eigenart der Abflußverhältnisse unterscheiden sich die Jasmundbäche grundlegend von einem normalen Mittelgebirgsbach. Ober- und Mittellauf der Bäche weisen mehr oder weniger große Temperaturschwankungen auf, im Unterlauf, also im Bereich des Kreidekliffs hat dagegen der Bach gleichmäßig kaltes Wasser.

Ein eigentlich kalter Bergbach sind die Bäche auf Jasmund also überwiegend nur in den Erosionsrinnen. Gewisse Ausnahmen machen der Steinbach und der Tribber Bach, deren Erosionsrinnen (z.B. im Park von Dwasieden) über einen Kilometer Länge besitzen. Hier kann sich das Wasser der Fließstrecke stärker erwärmen.

Die Tierwelt der Bäche ist zwischen 1906 und 1936 von dem deutschen Seenforscher August Thienemann intensiv erforscht worden. Faunistisch stellen die kleinen Fließgewässer Jasmunds ein wichtige5 Bindegllied zwischen den Bergbächen Mitteleuropas und denen Skandinaviens dar. Von besonderer Bedeutung war die Entdeckung des Alpenstrudelwurms (Planaria alpina) als echtem Eiszeitrelikt und sonst nur noch in den Gebirgen Mitteleuropas und Skandinaviens heimisch. Dieser Strudelwurm kommt nicht nur in den Bächen, sondern auch im Grundwasser des Gebietes vor. Zwei weitere Strudelwurmarten, die in ähnlichen Gewässern der Mittelgebirge verbreitet sind, aber bislang auf Rügen fehlten, wurden durch Thienemann 1906 eingebürgert, indem er thüringische und holsteinische Exemplare in einigen Bächen (Tribber Bach, Lenzer Bach, Kollicker Bach, Steinbach) aussetzte. Greifswalder Zoologen wiesen um 1980 sowohl die Alpenplanarie als auch die von Thienemann eingebürgerten beiden Strudelwurmarten nach, z.B. im Kollicker Bach und im Lenzer Bach.

Einige Bäche im Nationalpark Jasmund wie Steinbach und Kieler Bach sind darüber hinaus Lebensraum der in der Roten Liste der gefährdeten Fischarten in Mecklenburg-Vorpommern aufgeführten Bachforelle. Die Art pflanzt sich hier natürlich fort, bleibt insgesamt aber ziemlich kleinwüchsig.

Im Nationalpark Jasmund entspringen zahlreiche Bäche, die in den Großen Jasmunder Bodden entwässern und das Gebiet in westliche Richtung verlassen. Während die eigentlichen Nationalparkbäche meist waldbestocktes Gelände durchfließen, sind die in den Jasmunder Bodden mündenden Bäche überwiegend von Acker- oder/und Grünland umgeben. Gehölzbestandene Ufer verraten den Bachverlauf in den sonst unbewaldeten Teil der Halbinsel. Gefällestrecken mit erhöhter Fließgeschwindigkeit liegen nicht im Mündungsbereich, sondern im Mittellauf. Obgleich die Bache bislang kaum wissenschaftlich untersucht wurden, sind Besonderheiten in der Tier- und Pflanzenwelt zu erwarten. Die Bachforelle kam noch bis Mitte der sechziger Jahre in dem jetzt durch Kreideabwasser stark belasteten Sagarder Bach vor. Einige Bachläufe, wie Bisdamitzer Bach, Dalmeritzer Bach, Tieschower Bach, Marlower Bach und der Mittellauf des Sagarder Baches werden als derartig schutzwürdig eingestuft, daß eine Sicherung als Naturschutzgebiet vorgesehen ist.

Dr. Bodo Noack


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 01.08.1998

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