Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.8                                                  Juni 1995


Sagen der Stubnitz (III)

9. Die Störtebecker - Sage

Klaus Störtebeker soll als Sohn eines Bauern in Ruschvitz auf Rügen geboren sein. Als Knecht glaubte er sich eines Tages unbeobachtet und nahm einen tiefen Schluck aus der Bierkanne seines Herrn, der ihn dabei erwischte. Der Gutsbesitzer ließ Klaus, der über große Kräfte verfügte, fesseln und körperlich strafen. Als man ihn nach der Prügel losband, riß er die Ketten der Handschellen auseinander und schlug seine Peiniger nieder. Dann lif er zum Strand und ruderte in einem Fischerboot in Richtung Arkona. Kurz vor dem Kap traf er eine Kogge, die im Windschatten lag. Gödecke Michael, der Schiffshauptmann und Anführer der Seeräuber, gab ihm ein Hufeisen und forderte ihn auf, seine Kraft zu beweisen. Störtebeker bog es mühelos auseinander. - Eine Zinnschüssel drehte er zu einer Rolle zusammen. Zum Schluß leerte er einen riesigen Humpen, dem noch mehrere gefolgt sein sollen. Nach dieser Kraftprobe wurde er in die Gemeinschaft der Seeräuber aufgenommen. Mit Gödecke Michael zusammen wurde er zu einem der meistgefürchteten Seeräuber seiner Zeit.

Auf ihren Beutezügen richteten Störtebecker und Gödeke Mi-chel ihre Angriffe vornehmlich gegen reiche Leute. Den Armen aber taten sie nie etwas Böses, ja sie unterstützten dieselben wohl gar mit Geld und gaben dann reichliche Gaben. Eines Tages ging Störtebecker durch ein Rügensches Dorf, da sah er vor der Haustür eine Frau sitzen, die ein Paar Beinkleider flicken wollte. Es fehlte ihr aber ein Stück Zeug dazu. Da warf ihr Störtebecker einen Lappen Tuch hin, und als die Frau denselben umwendete, klebten an der Rückseite lauter blanke Goldstücke.

In Hagen auf Jasmund saß einst ein Mann vor der Haustür und weinte. Er sollte aus dem Hause ausziehen, weil er die rückstän-dige Miete nicht bezahlen konnte. Da kam Störtebecker durch das Dorf. Er sah den Alten und fragte ihn, was ihm fehle.Und als er die Not des Mannes vernommen hatte, gab er ihm so viel Geld, daß er auf mehrere Jahre hinaus die Miete für die Wohnung bezahlen konnte.

In ähnlicher Weise hat er einst einer Frau in Bobbin geholfen. Sie war eine arme Witwe und sollte, da sie die Wohnungsmiete nicht zahlen konnte,das Haus räumen. Da soll ihr Störtebecker so viel Geld gegebebn haben, daß sie nie wieder in Not kam. Das betreffende Haus ist noch jetzt in Bobbin vorhanden.

Trotz der von vielen (armen Leuten) gelobten Taten hatten Störtebecker und Co. nicht zu unterschätzende (reiche) Feinde. Diese setzten alles daran, der Piraten habhaft zu werden. Wie vom Leben und Treiben der Likkedeeler verschiedenste Geschichten im Umlauf sind, so sind auch von Gefangennahme und Hinrichtung unterschiedliche Versionen überliefert.

Lange Zeit hindurch hausten die von jedermann gefürchteten Seeräuber ungestört in den rügenschen Gewässern. Endlich aber gelang es den Rügianern doch, ihrer habhaft zu werden. Störtebecker sowohl, wie auch sein Genosse Gödeke Michel wurden gefesselt eingebracht und zum Tode verurteilt. Sie suchten zwar dem Verderben zu entgehen und versprachen, sich mit einer goldenen Kette zu lösen, welche rings um die Mauern der Stadt Hamburg herumreiche. Aber die Leute in Rügen ließen sich durch solche Versprechen nicht nicht blenden. Sie waren froh, ihre Plagegeister in ihre Gewalt bekommen zu haben, und das Urteil wurde an ihnen vom Henker vollzogen. Noch heute zeigt man die Stelle, wo die beiden Räuber getötet und ihre Leichname eingescharrt wurden. Es ist dies eine kleine Lichtung, welche inmitten der Stubnitz gelegen ist.

Anderen Überlieferungen zufolge wurde Störtebecker in Hamburg gerichtet. Dem folgt die folgende Überlieferung:

Nachdem die Hamburger die gefangenen Seeräuber enthauptet hatten, schickten sie eine Kommission nach Rügen, die die von Störtebecker und Michel Gödeke geraubten und auf der Insel versteckten Schätze finden sollte. Ein Bauer aus Sassnitz,der den Seeräubern gedient hatte, verriet den Hamburgen die betreffende Stelle. Sie lag in dem Winkel, welchen der Prißnitzer und der Kühlenbach in der Stubnitz bilden. Und in der Tat soll hier ein Teil des Geraubten wieder zutage gefördert worden sein.

Zu den Sehenswürdigkeiten Rügens gehören auch die vielen Findlinge, Relikte der vergangenen Eiszeiten, besonders der letzten. Der Volksmund hat einige dieser Findlinge mit hübschen Sagen bedacht, wie die folgende zeigen wird.

Der Opferstein bei Quoltitz


Jenseits des Krattbuschberges, am Fuße der gegenüber liegenden Quoltitzer Berge breitet sich ein Tal aus, in dessen Mitte ein einzelner grauer Stein unter einem Erlengebüsche versteckt liegt. Dieser Stein, welcher 22 Schritte im Umkreis und eine Höhe von etwa 4 Fuß hat, ist ehemals ein Opferstein gewesen. Dafür spricht eine quer über die Platte des Steines eingehauene Furche oder Rille, welche 4 bis 5 Zoll tief und so breit ist, daß man die flache Hand bequem hineinlegen kann. In grauen Vorzeiten wurde vermutlich durch diese Rinne das Blut des Opfertieres abgeleitet. Unmittelbar hinter dieser Rinne ist die Oberfläche des Steins an beiden Seiten ausgeschnitten und geebnet, wodurch zwei Absätz entstanden sind. Auf der Fläche des einen Absatzes erblickt man 2, auf der anderen 3 ziemlich runde, jedoch nur flach in das Gestein eingemeißelte Vertiefungen, worein, wie die Leute sagen, der Pfaffe die Blutgrapen (Oferschalen) gesetzt haben soll. In dem kahlen, unholden Flächenraum liegen mehrere schwarz-graue Steine zerstreut, und auf den Anhöhen umher stößt man auf alte Steingräber.


nach: GRÜMBKE ´Darstellungen von der Insel Rügen II`





Abschließend zu dem Themenkreis Stein-Sagen einiges über Donnerkeil und Krötenstein:

Die Belemniten, Reste eines vorsintflutlichen Tintenfisches, kommen auf Rügen ungemein häufig vor, zumal unter dem Steingeröll der Kreideufer. Im Volksmunde heißen sie Donnerkeile oder Dunnerpilers, zuweilen auch Teufelsfinger. Man glaubt nämlich, daß sie im Gewitter und zwar mit dem Blitz auf die Erde geschleufert werden. Wenn jemand vom Blitz getötet wird, so wird er durch den im Blitz niederfahrenden Donnerkeil getroffen. Andere glauben, der Donnerkeil werde erst durch das Einschlagen des Blitzes in die Erde erzeugt; man finde die Donnerkeile also nur dort, wo ein Blitzschlag in die Erde gefahren sei.

Die Donnerkeile werden mit Vorliebe gesammelt und im Hause aufbewahrt, weil man glaubt, daß ein solcherart ausgestattes Haus gegen Blitzschlag gesichert ist. Vorzugsweise pflegte man sie in den Milchkammern aufzubewahren. - Magenschmerzen sollen dadurch beseitigt werden, daß man ein wenig von einem Donnerkeil abschabt und einnimmt.

Der Krötenstein, ein versteinerter Seeigel, wird gleichfalls für ein bewährtes Vorbeugungsmittel gegen das Einschlagen des Blitzes angesehen. Auch er wird daher mit Vorliebe in der Milchkammer aufbewahrt. Die rügenschen Bauern legen die kegelförmigen Steinkerne des in der Kreide sehr häufigen Seeigels (anachytes ovatus) in die Schweinetröge, weil sie angeblich die Mast befördern, andererseits die Tiere vor Rotlauf schützen.

Der Krötenstein wird auch Kreuzstein oder Sternstein (Stirnsteen) genannt. Letzteren Namen trägt er, weil man glaubt, daß er vom Himmel oder von den Sternen herabgefallen sei. In die Michkammer legt man Kreuzsteine in dem Glauben, daß dann der Milch 'nichts ankommen könne'.Ist die Milch aber schon behext, so legt man die Steine in das Milchsieb.

mündlich überliefert in: Globus Nr.14 und Blätter für Pommersche Volkskunde VI S.158


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 17.07.1998

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