Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.4                                                   September 1993


Schmetterlinge - nicht nur ein Blickfang

Frühjahr - die ersten wärmenden Sonnenstrahlen locken Insekten aus ihren Winterquartieren. Die auffälligsten sind dabei die Schmetterlinge.

Zu den ersten fliegenden Frühlingsboten gehören Weißlinge, Kleiner Fuchs und Tagpfauenauge. Und diese Falter sind es auch, die man bis in den September hinein beobachten kann. Sie sind im Hausgarten fast ebenso häufig wie auf bunten Blumenwiesen. In einem Bestimmungsbuch über Schmetterlinge würde als Fluggebiet angegeben: überall. Diese Tatsache ist verständlich, denn die Futterpflanze der Raupen ist vielfach die Brennessel und die gibt es fast überall.

Interessanter sind da schon solche Spezialisten unter den Tagfaltern wie das Schach- oder Damenbrett (Agapetes galathea) oder der Nördliche Perlmuttfalter (Boloria aquilonaris).

Das Schach- oder Damenbrett (Foto) gehört zu den Augenfaltern, obwohl er im Fluge eher einem Weißling ähnelt. In Ruhe werden auf den Hinterflügeln und vor allem auf der Unterseite die Augen sichtbar. Seine Raupen lieben weiche Gräser wie Honiggras und vor allem Trespen, die nur auf Trockenrasen wachsen. Dementsprechend sind bevorzugtes Fluggebiet der Falter, die Trockenrasengebiete Rügens, wie Mönchgut und die Kalktrockenrasen Jasmunds.

Noch stärker spezialisiert ist der Nördliche Perlmuttfalter (Foto). Mit einer beige-gelben Grundfarbe und der dunklen Fleckenzeichnung läßt er sich von ähnlichen Arten nur schwer unterscheiden. Typisch ist allerdings die Zeichnung der Unterseite der Hinterflügel. Die Raupen ernähren sich von Sumpf- und Hundsveilchen und vor allem von der Moosbeere. Moosbeeren wachsen aber nur auf gesunden, nährstoffarmen Mooren und so kommen die Falter auch nur auf Hoch- und Torfmooren vor. Sie gehören also zu den tierischen Zeigearten. Von Zeigearten (Pflanzen oder Tiere) spricht man immer dann, wenn sie ganz bestimmte, eng begrenzte Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. Bei Pflanzen ist das vorrangig der Nährstoff- oder Feuchtigkeitsgehalt des Bodens oder das Kleinklima, bei Tieren sind es die Futterpflanzen oder die Beutetiere.

Natürlich sind Zeigearten vorrangig im Pflanzenbereich zu suchen, da Pflanzen nun einmal nicht frei beweglich sind und somit "Irrgäste" äußerst selten vermeldet werden (ein moortypischer Falter kann da schon eher mal auf einer Gartenblume sitzen). In der faunistischen Bestandsaufnahme des Pflege- und Entwicklungsplanes für den Nationalpark Jasmund waren für das Gebiet über 350 Schmetterlingsarten genannt. Viele davon sind allerdings nur nachtaktiv und am Tage kaum zu beobachten. In dieser Zahl sind die teilweise nur mottengroßen Kleinschmetterlinge nicht enthalten. Gerade auch unter ihnen gibt es aber Spezialisten, die durchaus den Status einer Zeigerart haben. Zu ihnen gehört der Kleinschmetterling Nemophora degeerella (Länge ca. 10 mm). Der dunkel-gelbraune Falter besitzt auf den Vorderflügeln ein auffälliges, schwarzgesäumtes, gelbes Band. Die Männchen dieser Art tragen ein Fühlerpaar, das etwa viermal so lang wie die Flügel ist und besonders dem Flug eine besondere Nuance verleiht. Die Raupen leben nur an Anemonen.

Auffällig ist auch ein weiterer Kleinschmetterling. Oecophora bractella besitzt eine dunkle Grundfarbe. Brust und Flügelbasis sind aber auffallend gelb und die Vorderflügel tragen einen ebensolchen Fleck. Die Raupen leben unter der Rinde oder im Holz von absterbenden Buchen. Besonders interessant ist jedoch ein unscheinbarer Eulenfalter. Die Kreide-Eule (Photedes morrisii) ist bisher nur von der Kreideküste Rügens bekannt. In Fällen, wo Pflanzen oder Tiere nur in einer bestimmten geographischen Region vorkommen, spricht man von endemischen Arten. Die Kreide-Eule, deren Raupen in den Stengeln des Rohrschwingelgrases leben, besitzt kreideweiße Flügel mit undeutlichen Zeichnungsresten. Die Hinterflügel sind weiß mit weißggrauer schwacher Zeichnung.

Schmetterlinge sind also nicht nur Aha-Effekt der Sommerblumen-Wiese, sondern vielfach auch ein schutzbedürftiges, sensibel reagierendes Lebewesen. Viele Arten sind Bestandteil der Roten Liste und nicht wenige von ihnen sind schon durch die Bundesartenschutzverordnung geschützt.

Aber - hier stellt sich wieder einmal die Frage - wie schützt man diese Pflanzen oder jenes Tier. Zaun oder Glashaus nutzen da wenig. Es kommt darauf an, den gesamten Lebensraum zu erhalten. Wenn es z.B. keine gesunden Moore mehr gibt, gibt es auch keine Moosbeere. Wenn es diese nicht gibt, ist z.B. die Futterpflanze der Schmetterlingsraupe verschwunden. Finden die Raupen keine Nahrung oder die Falter keine Pflanze zur Eiablage, ist jedes Bemühen um Artenschutz zum Scheitern verurteilt.

Deshalb: Artenschutz heißt Biotopschutz, heißt Erhaltung der Lebensräume von Pflanzen- und Tiergesellschaften; auch zum Nutzen und Erhalt der Schmetterlingsfauna.

Manfred Kutscher


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 01.08.1998

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