Der Nationalpark Jasmund

Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.

Nr.13                                                   August 1998


Nochmals Anmerkungen zur Wespen- oder Zebraspinne

Der Beitrag "Ein Exot erobert Rügen" über das Vorkommen der Wespen- oder Zebraspinne Argiope bruennichi auf Rügen, der im vorangegangenen Vereinsheft abgedruckt war, fand erfreulicherweise einige Resonanz. Doch es gab auch - ausgelöst von übersehenen Druckfehlern - verschiedentlich Irritationen und Fragen, auf die ich nachfolgend kurz antworten möchte.

Das Eingehen auf neuere Beobachtungen im Sommer 1997 schloß selbstverständlich ein, daß die Wespenspinne auch in Jahren davor auf Rügen nachgewiesen werden konnte. Mir ging es beim Benennen der verschiedenen Fundorte vorwiegend um den Nachweis einer möglicherweise vorhandenen nördlichen Verbreitungsgrenze dieser Spinnenart auf unserer Insel. Hinweise auf Spinnen- oder Kokonfunde nördlich der aufgezeigten Linie Sassnitz - Trent sind mir zur weiteren Auswertung daher auch künftig wichtig.

Das Radnetz der Wespenspinne zählt nach meinen Beobachtungen 27 bis 34 (also nicht 43!) Speichen bzw. Radialfäden. Die Funktion der umstrittenen „Stabilimente“, d.h. der über und unter der Netzmitte eingewobenen Zickzack-Bänder aus lockeren Fadensträngen, läßt sich möglicherweise aus Beobachtungen des Sommers 1998 präzisieren: Offensichtlich erstellen noch nicht ausgewachsene oder gerade erst geschlechtsreif gewordene Wespenspinnen die „typischsten“ Netze (siehe Foto). Denn trotz einiger Ausnahmen zeigte die Mehrzahl der untersuchten Fangnetze ein deutliches oberes und ein deutliches unteres Zickzack-Band sowie eine dazwischenliegende, locker übersponnene Nabe. Befruchtete Weibchen, kenntlich an dem sich mit der Eireife aufweitendem Hinterleib, werden dagegen bei der Nachbesserung oder der Neuanlage ihrer Netze schlampiger“. Das hängt möglicherweise damit zusammen, daß größere Mengen Spinnstoff für die seidenen und mit einer pergamentartigen Außenhaut bekleideten Kokons (Eikapseln) benötigt und deshalb beim Netzbau eingespart werden. Die im Beitrag genannten Überlegungen, bei den sogenannten Stabilimenten handelt es sich um "Liebespfade", um die Männchen zu dem in der Netzmitte ausharrenden Weibchen zu locken, sind daher keineswegs abwegig. Und genauso diskutabel bleibt angesichts des mir vorliegenden statistischen Materials die Vermutung, in den Stabilimenten sei lediglich zeitweilig überschüssiger Spinnstoff abgelagert worden.

Da ich im genannten Beitrag vornehmlich von Funden an Wegrändern sprach, bin ich spaßeshalber gefragt worden, ob ich kein festes Schuhwerk bei meinen Exkursionen anhätte. - Nun, die Wespenspinne ist gerade in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegenden, wie es die aufgezeigten \ Beobachtungsräume sind, auf jede Nische angewiesen, die ihr ein Überleben und Fortpflanzen und damit die Möglichkeit weiterer Verbreitung sichern. Umgepflügte Äcker und gemähte Wiesen gerade in der Fortpflanzungszeit zwingen deshalb die Spinnenart einerseits dazu, verbleibende Krautstreifen - und seien diese wie z.B. am Rande der Heideberge bei Patzig oder an Feldwegen zwischen Banzelvitzer Bergen und Tetzitzer See auch recht schmal - in hoher Populationsdichte zu nutzen. Gerade das aber führt, wie im genannten Beitrag aufgezeigt werden konnte, wiederum zu einer vermehrten Abgangsrate an Tieren und Kokons durch Pkw und landwirtschaftliche Technik. Andererseits bevorzugt die Wespenspinne bei der Anlage ihrer Fangnetze halboffenes, also teilweise unbewachsenes (Fahrspur!) Gelände selbst dort, wo ein entsprechendes „Hinterland“ vorhanden ist. Obwohl beispielsweise in der südlichen und südwestlichen Schmalen Heide, in der für diese Spinnenart lokal ideale Bedingungen vorherrschen, eine stellenweise weitflächige Besiedlung von hunderten Spinnen nachgewiesen werden konnte, konzentrieren sich die Vorkommen auch hier an den Wegrändern.

Übrigens ließ sich auch nach einer erfolgten Zählung nicht klären, ob sich die Wespenspinne durch eine Richtungswahl bei der Netzanlage lieber den Bauch oder lieber den Rücken von der Sonne bescheinen läßt ... Möglicherweise mit Wetterabläufen, möglicherweise aber auch mit Besonderheiten des Fundpunktes auf der Halbinsel Buhlitz zusammenhängend (wo offenbar zusagende natürliche Gegebenheiten bei gleichzeitiger Freiheit von gravierenden Eingriffen des Menschen in den Siedlungsraum zu einem weiträumigen und vor allem individuenreichen Vorkommen der Wespenspinne führten), konnten verschiedene Entwicklungsstadien von Wespenspinnen zeitlich parallel beobachtet werden. Der versuchten Annäherung von Männchen an das geschlechtsreife Weibchen stehen Beobachtungen noch nicht ausgewachsener Tiere wie auch bereits befruchteter Weibchen kurz vor der Eiablage gegenüber. Und zeitgleich (am 23. August 1998!) fanden sich erste Kokons. Die Lebensuhr der Wespenspinnen tickt zwar, gemessen an der relativ kurzen Lebenserwartung dieser Spinnenart, weitgehend einheitlich; doch verläuft die Entwicklung von Individuum zu Individuum hier deutlich zeitversetzt, was mir in diesem Ausmaße bisher nicht auffiel. Als Ursache kann vermutet werden, daß die Spinnen der vorjährigen Beobachtungen aus einem oder lediglich wenigen Kokons schlüpften, was für die Populationen weitgehend (zeit-)gleiche Ausgangsbedingungen schuf. Äußeres auslösendes Moment hierfür dürften erwähnte landwirtschaftliche Arbeiten sein, die vermutlich die Populationen in einem zunächst größeren Siedlungsgebiet bis auf Ausnahmen dezimierten.

Ganz offensichtlich ist für die Entwicklung der Spinnenpopulation auf der Halbinsel Buhlitz keine solche „Zeitvorgabe“ erfolgt, weil hier die Jungspinnen vieler Kokons ihr seidenes Winterquartier mit einer gewissen Zeitversetzung verließen. Die Kritik an der Auffassung, ein schubweises Auftreten der Wespenspinne deute auf kolonieweises Leben - also auf eine sich aus der Begriffsbestimmung ableitenden sozialen Determinante in der Lebensweise - hin, ist mit dem betreffenden Verlag diskutiert und erfreulicherweise aufgegriffen worden. In künftigen Auflagen des zitierten Spinnenführers wird eine andere, treffendere Bezeichnung gewählt.

Dr. Reinhard Bülte


Aktualisierung: Es gibt jetzt die Möglichkeit, Wespenspinnenfunde in einer Online-Datenbank zu melden und einzutragen!


Nachtrag: Jeden Sommer bekomme ich sehr viele Mails mit Fundmeldungen von Wespenspinnen aus ganz Deutschland. An dieser Stelle vielen Dank dafür und eine Bitte um Entschuldigung, wenn ich es nicht schaffe, alle zu beantworten.

Um eine oft gestellte Frage zu beantworten: Die Wespenspinne ist für den Menschen ungefährlich, ihr Gift ist recht schwach und vor allem sind ihre Mundwerkzeuge nicht kräftig genug, um die menschliche Haut zu durchdringen.


Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte an teschke@mathematik.hu-berlin.de

Letzte Änderung: 28.09.1998

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