Kreidelehrpfad/Kreidemuseum Gummanz

Projekt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V



Exkursionsführer Kreidebruch Gummanz

Christine Damerow, Karlheinz Markmann

Inhalt:

1. Allgemeines zum Kreidebruch Gummanz

2. Geschichte des Ortes, des Gutshauses und des Kreidebruchs

3. Allgemeines zur Kreide

3.1. Technologie des Abbaus der Rohkreide

3.2. Transport der Rohkreide

3.3. Verarbeitung der Rohkreide

4.Wirkung des Auflassens (Sukzession)

5. Landschaft (Moränengebiet)


1. Allgemeines zum Kreidebruch Gummanz

Der Kreidebruch Gummanz ist etwa 3 ha groß und von länglich-ovaler Form (Nord - Süd - Ausdehnung ca. 40 m, Ost - West - Ausdehnung xa. 70 m), daran schließt sich südlich und westlich ein etwa gleich großes Areal ehemaliger Aufbereitungs- und Lagerflächen an. Der Gummanzer Bruch läßt sich grob in einen westlichen und einen östlichen Teil gliedern. Im Sohlenbereich des westlichen Teiles befindet sich ein städig wasserführendes, durch einen oberhalb des Bruchgelädes liegenden Brunnen gespeistes Kleingewässer von ca. 100 m2 Ausdehnung. Der östliche Teil ist geprägt von einem nördlich liegenden, senkrechten, ca. 45 Meter hohen Kreidefelsen.
Am Nord- und Südhang des östlichen Teils existiert noch jeweils eine Art "Zwischenplateau" auf etwa halber Höhe der Hänge.

Kreidebruch Gummanz

Die Sohle des Kreidebruches ist sehr uneben; in der Hauptsache lassen sich zwei verschiedene Niveaus unterscheiden, ein auf dem Niveau des Wasserspiegels liegendes sowie ein um bis zu einem Meter höheres Niveau, zwischen denen ein häufiger Wechsel stattfindet. Daneben existieren noch mehrere, die beiden Hauptniveaus deutlich überragende Erhebungen, bei denen es sich um Feuersteinaufschüttungen handelt.

2.Geschichte des Kreidebruchs

1859 wurde in der Nähe des Dorfes Neddesitz ein Kreidebruch angelegt, der Gummanzer Kreidebruch.

Der günstigste Standort für die Errichtung eines "Kreidewerkes" liegt u.a. dort, wo neben einer gegebenen Bauwürdigkeit der Kreide die darüberlagernde Pleistozändecke der Dritten Eiszeit möglichst schwach ausgebildet und damit eine leichte Abraumbeseitigung sichergestellt ist. Denn durch die Einwirkungen des Eises hervorgerufene Pressungen und Faltungen der Kreide wechseln stark in der Mächtigkeit des Abraumes. Sorgfältige geologische Untersuchungen bestätigen das.

1920 entstand zusätzlich eine landwirtschaftliche Gutsanlage, denn die Arbeiten im Kreidebruch waren saisonbedingt. 1945 wurde das Gut enteignet, der Kreidebruch 1950 in Volkseigentum überführt, in den VEB Vereinigte Kreidewerke, seit 1962 mit Inbetriebnahme des neuen Kreidewerkes Klementelvitz, aufgelassen.

3. Allgemeines zur Kreide

Die Rügener Schreibkreide ist weicher Kalkstein, der sich vor 70 Mio. von Jahren (70 - 130 Mio.) gebildet hat. Auf dem Gebiet von Norddeutschland war ein küstenfernes Meer.

Hier entstand im Laufe von Jahrmillionen aus mikroskopisch kleinen Kalkschüppchen einzelliger Organismen ein weicher Schlamm. Eine unvorstellbar große Zahl allerkleinster Kalkschalen und Schalenbruchstücke von Meerestieren bildet die "Grundmasse". Drei Viertel der Kreide sind winzigste, aus feinsten Kalkscheibchen bestehende Panzer einzelliger Organismen, sogenannter Panzergeißeltierchen. Nur mit Hilfe eines Elektronenmikroskopes sind Einzelheiten dieser Coccolithen überhaupt erkennbar. Nur etwa 8% der Kreidebestandteile sind größer als ein Zehntelmillimeter.

Z.B. Moostierchen - Foraminiferen

Muschelkrebse - Ostrakoden

Armfüßerarten - Brachiopoden (ca. 30)

Durch Druck und Wasserentzug wurde dieser Schlamm zur Kreide verfestigt. Diese Kreideschollen wurden vor 12 000 Jahren, in der Weichseleiszeit, durch bis zu 3 000 m starke Gletscher gepreßt und verformt. Die Gletscher schufen auch Spalten, die von nachfolgenden Gletschern mit anderem Material (Sand, Steine u.a.) ausgefüllt wurden. Auch typisch für die Verformung sind die Feuersteinlagen, die selten horizontal sind. Pro Jahr lagerten sich ca. 1/2 Millimeter der Kalkschalen bzw. Kalkbruchstücke am Meeresboden ab.

In 10 Jahren = 5 mm; 1 000 000 Jahren = 500 m ; aber die Kreidezeit betrug 75 Mio. Jahre! Die Kreideschollen erreichen nicht selten eine Stärke von 500 m.

Von den Küsten von Moen, Dover und Rügen wurden in 5 000 Jahren ca. 1 000 m Abraum vom Ufer weggespült!

Kreide ist chemisch hauptsächlich Calciumcarbonat CaCO3, also Kalk. Im Gebiet von Rügen wurde während des Untermaastricht abgelagert, diese Schichten erstrecken sich von Holland bis Warschau.

3.1. Technologie des Abbaus der Rohkreide

Bei der Entstehung der Kreide wurde herausgearbeitet, daß Kreide CaCO3 ist und durch den Brennvorgang zu Kalk umgeformt wird. Diese Erkenntnisse führten bereits 1720 zum ersten Abbau der Rohkreide in der Granitz. Im Verlaufe der Zeit erweiterte sich das Einsatzgebiet der Rohkreide zum Weißen von Wänden und als Dünger. Verständlich ist, das stets dort der Abbau erfolgte, wo die Kreide oberflächlich anstand. Dieses trifft besonders für die Halbinsel Jasmund zu. Daraus resultiert, daß von den einst 40 auf Rügen in Betrieb befindlichen Kreidebrüchen allein 28 Betriebe auf der Halbinsel Jasmund existierten. Nach dem Krieg wurde 1946 auf Grund der wirtschaftlichen großen Bedeutung, noch in 19 Kreidebrüchen gearbeitet, bis 1962 das Kreidewerk Klementelvitz produzierte.

Bereits 1928 wurden 500 000 t Rohkreide über Sassnitz-Hafen und Martinshafen versandt.

Großabnehmer waren die Portlandzementwerke im Odermündungsgebiet.

An Schlämmkreide wurden lediglich 80 000 t produziert und per Schiff oder Bahn zum Abnehmer transportiert. Abbau der Kreide Die Kreide hat stets eine Erdfeuchte von 18 - 23%. Damit besteht eine hohe Bindefähigkeit. Die Kreidebrüche wurden in südlicher Richtung aufgeschlossen, damit bereits die Sonne ein Abtrocknen vornahm und die Kreide leichter abgehauen werden konnte. Der Abbau der Kreide erfolgte manuell unter körperlich äußerst schweren Bedingungen. Im Sommer dörrte die Sonne die Männer aus, wenn sie 12 - 14 Std. für einen Hungerlohn bis zu 10 m3 Rohkreide mit der Spitzhacke aus der Wand schlugen. Bei Regen verschlammte die Kreide und ließ sich nicht von der Wand lösen.

Beim sogenannten "Trichter - Schlitzschurren - Verfahren" hackte der an einem Seil hängende und so gesicherte Arbeiter in einer ca. 60° geneigten Wand trichterfÖrmig die Kreide ab. Diese fiel in eine bereitstehende Kipplore und wurde weiteren Behandlung zugeführt. Die Kreide wird zum Rührwerk gefahren und dort in Bottichen (aus Holz, später aus Beton) aufgeschlämmt. In diesen Bottichen drehen sich vier senkrecht aufeinanderstehenden, mit Ketten versehene, eiserne Haken um eine Achse. Unter Zufluß von Wasser werden die Feuersteine zum Absatz gebracht. Die Kreidetrübe fließt anschließend Absetzrinnen zu. Die aus den Rührwerken abfließende Kreidetrübe wird einem System von Absetzrinnen (aus Holz) zugeführt, das auf seines schwachen Gefälles die Fließgeschwindigkeit so regelt, daß sich die feineren Verunreinigungen (Kreidegrand) am Boden der Rinnen absetzen. In bestimmten zeitlichen Abständen muß der Grand durch Schaufelarbeit ausgeworfen werden. Die aus den Rinnen austretende gereinigte Kreidetrübe wird nun den Absetzbecken zugeführt. Das sind rechteckige Behälter, in die Erde eingebaut, mit den Maßen 6m Länge x 3m Breite x 1,50m Tiefe. Die Becken werden nach und nach mit Kreidetrübe gefüllt.

Beim 1. Mal lagert sich eine ca. 35 cm dicke Kreideschicht ab.

Nachdem das anstehende sich klärende Wasser abgezogen worden ist entsprechend weniger und so fort, bis eine zähe Kreideschicht von über 1 m Stärke entstanden ist. Dieser Vorgang dauert 3-4 Wochen. Dann wird die Kreide "ausgeschlagen". Sie enthält noch 30 - 35% Wasser. Die schwere, weiche Kreidemasse wird mit Schaufeln (10 - 15 kg Gewicht) aus den Becken in Karren oder später in Loren geworfen. Eine sehr harte körperliche Arbeit!

Nach dem " Ausschlagen" wird der Kreideschlamm zu den Trockenschuppen gefahren und "ausgeformt". Schaufelgroße Stücken Kreide werden auf die beiden unteren Hordenreihen, die mit Ziegelsteinen bedeckt sind (entziehen der Kreide Wasser), ausgebreitet. Das "Umformen" geschieht durch das Befördern der inzwischen erhärteten Kreidekuchen in die oberen Böden, wo sie, senkrecht stehend, der Trockenluft größtmögliche Berührungsflächen bieten. Der Feuchtigkeitsgehalt wird auf mindestens 5% (Brockenkreide) bzw. 3% (Malkreide) vermindert und macht damit die Kreide versandfähig. Dieser Vorgang dauerte je nach trockener Witterung 4 - 5 Wochen, bei hoher Luftfeuchtigkeit erheblich länger.

Historische Luftausnahme des Kreidebruches Buddenhagen. Sehr gut sind die Strukturen des historischen Kreideabbaus - Kreideabbau im Trichter-Schlitzschurren-Verfahren, Rührwerke, Absetzbecken, Trockenschuppen - zu erkennen.

3.2. Transport der Rohkreide

Diese getrockneten, ausgeformten Kreidestücken wurden bis in die Holzfässer, die in den betriebseigenen Sägewerken bis Anfang der 50-ziger Jahre hergestellt wurden, gestampft und zum Versand gebracht. D.h. entweder in den Anfängen noch über eine schiefe Ebene auf Segelschiffe oder mit Hilfe einer Seilbahn, z.B. vom Lenzberg, zum Sassnitzer Hafen oder per Fuhrwerk und später in Loren per Schiene zu den Häfen gebracht ( seit 1896 existiert der Martinshafen am Großen Jasmunder Bodden, gebaut und benannt nach dem Stettiner Großindustriellen Martin Quistorp, Eigentümer des Quoltitzer Kreidebruches).

Parallel zum Stampfen entwickelte sich das Mahlen der Kreidestücken zu Kreidemehl, welches in Papiersäcke abgepackt wurde. Ab 1949 wurde schon eine Zentralisierung der Kreidearbeiten angestrebt, um die Arbeitsbedingungen zu vereinfachen und den Saisoncharakter abzustellen.

1955 lief in Sassnitz eine Versuchsanlage an und diese Ergebnisse wurden 1956 in eine mechanische Versuchsstraße in Quatzendorf überführt. Aus den gesammelten Erfahrungen konnte 1962 in Klementelvitz ein hochmechanisiertes Werk in Betrieb genommen werden. Auf Grund der hohen Arbeitsproduktivität wuchs der Warenausstoß erheblich, so daß die anderen, noch auf der Insel in Betrieb befindlichen Kreidebrüche stillgelegt werden konnten.

In der fast 200 - jährigen Geschichte des Kreideabbaus hat nicht nur generell die Technologie gewandelt, sondern jeder einzelne Kreidebruch hatte auch seine eigene spezielle Förderung der Rohkreide. Dieses hing sowohl von der Lage der Kreide und seiner Ausbreitung ab, wie auch von den finanziellen Gegebenheiten (Becherwerke, Seilzüge, Loren, Pferd und Wagen u.s.w.).Durch die lange Inbetriebnahme des Kreidebruchs Gummanz (1859-1962) ergeben sich unterschiedliche Verfahren des Abbaus der Rohkreide. In der dem Süden zugewandten Seite kam die beschriebene historische Technik zum Einsatz und in der dem Norden zugewandten Seite später modernere Technik (Bagger). Eine Besonderheit findet sich noch an den Schlämmgruben - hier sind sie mit Feldsteinen ausgeschlagen, in anderen Betrieben mit Holz bzw. Beton. Der Versand erfolgte auf der Schiene über Sagard bis Martinshafen.

3.3. Verarbeitung der Rohkreide

Bedingt durch die Bedürfnisentwicklung und deren Absicherung entwickelte sich eine umfangreiche, sowie vielgestaltige Industrie. Die neuen Industriezweige brachten es zu umfangreichen arbeitsteiligen Prozessen und bezogen verstärkt einheimische Rohstoffe - sprich auch Kreide - mit ein.

Papierindustrie - Kreide als Füllstoff, Ersatzpergament (glatte, durchscheinende Oberfläche) ,Tapeten ( fest , schmutzabweisend )

Farbindustrie - Weißmacher, Füllstoff Extenderanteil (Haltbarkeit der Farbe), Dispergierbarkeit (möglichst einfach Mischen), Fensterkitt

Glas- und keramische Industrie - Keramik Porzellan

Chemische Industrie - Fußbodenbeläge, Textilien, Kabel und Leitungen (PVC generell)

Chemische Industrie - Isolatoren,Reifen - Gummi (glatte Oberflächen)

Pharmazie - Puder, Zahnpasta u.s.w.

Düngerindustrie - Grand und Stickstoffe (langsames Auflösen, aber lange Nutzung für Pflanzen)

Betonindustrie - Feuersteine (Füllmasse), Kreide (Portlandzement, Kalk u.s.w.)

25 - 30 verschiedene Industriezweige benötigen mehr oder weniger Schlämmkreide bzw. Feuersteine. Selbst beim Herstellen von Schleifmittel (Schleifpapier, Paste) ist der harte Rohstoff Flint / Feuerstein wichtig. Daher wurde ein nicht unwesentlicher Anteil auch für den Export produziert (CSSR u.a.)

Bemerkung:

Bereits 1832 baute Friedrich von Hagenow in Greifswald die 1.Kreideschlämmerei und verarbeitete hier die auf Rügen gewonnene Rohkreide, die er dann per Schiff nach Greifswaldsandte.

Anzumerken wäre noch die Nutzung des feinen Kreidemehls in Form von Kreideschlammpackungen in der Heilmedizin, damals wie jetzt. Um 1900 nannte sich Sassnitz - "Kreideheilbad", heute wird dieses Heilverfahren mit Kreide im Sassnitzer "Kurhotel angeboten.

4. Wirkung des Auflassens (Sukzession)

Die Besonderheit der aufgelassenen Kreidebrüche liegt in dem Nebeneinander unterschiedlicher Kleinbiotope auf engstem Raum. Eine Folge der verschiedenen Standorte der Brüche und der sogenannten Sukzession (lat. successio = Nachfolge). Darunter versteht man die zeitliche Abfolge von verändernden Pflanzengesellschaften. Das Auftreten so vieler verschiedener Stadien der Sukzession ist eine Folge des zeitlich unterschiedlichen Auflassens der Kreidebrüche und der verschiedenen Rahmenbedingungen, wie z.B. die Hangneigung von 0° im Sohlenbereich bis fast 90° im Hang. Hieraus resultiert eine Differenzierung der Wasser- und Nährstoffversorgung der Pflanzen. Von Bedeutung ist ebenfalls der Lichteinfall, verbunden damit sind Temperaturänderungen und in Folge Bodenveränderungen. Es entstanden Pionierstandorte für viele Pflanzen, d.h. die Vegetationsentwicklung begann beim Stand Null. Ohne menschliches Zutun entstehen daraus über einen längeren Zeitraum Vorwald- und Waldstadien.

Wir unterscheiden: - vegetationslose Flächen (reine Kreidefl.)

- Flächen mit Pionierbewuchs

- Rasengesellschaften

- nitrophile Staudenfluren

- Röhrichte

- einzelne Pioniergehölze, Gebüschgesellschaften und waldartige Bestände

Pioniergese11schaften: Huflattich und Gewöhnliches Bitterkraut. Beide Pflanzen sind Anzeiger für Lehm-, Basen- und Wasserzug - Zeiger und wachsen vorzugsweise auf kalkhaltigen Böden als einzeln stehende Pflanzen im steilen Hangbereich. In dieser charakteristischen Huflattich - Flur sind weiterhin häufig zu finden - das Wiesen-Knäulgras, der Spitzwegerich und das Kriechende Fingerkraut. Wilde Möhre und Kleiner Wiesenknopf sind ebenfalls in den Kreidebrüchen als Pioniergesellschaften vertreten.

Rasengesellschaften:

Sie lieben einen trockenen - warmen Standort und sind somit an südexponierten Kreidehängen in ihrer großen Vielfalt zu finden.

Bei den Rasengesellschaften lassen sich 3 durch unterschiedliche Wasser- und Nährstoffansprüche gekennzeichnete Formen unterscheiden:

- Trockenrasen

- Feuchtwiesen

- Grünland

Trockenrasen:

Trockenrasengesellschaften bilden sich, wenn nachstehende Anforderungen erfüllt werden:

- flachgründiger, nährstoffarmer Boden

- hohe Erwärmbarkeit

- relative Trockenheit und Wasserbindungsvermögen

Durch Beweidung erfolgt häufig ein Nährstoffentzug. Die Pflanzengesellschaften stellen ein artenreiches Biotop dar, mit überwiegend kleinwüchsigen Pflanzen, die sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit auszeichnen. In diesen Biotopen wachsen sehr viele gefährdete Arten, wie z.B. verschiedene Orchideenarten, die es in jedem Fall zu schützen gilt.

Halbtrockenrasen:

Großflächig vorkommende HTR sind in der Regel in der Kulturlandschaft zu finden. Sie entwickeln sich durch eine regelmäßig durchzuführende Mahd. Dadurch werden vom Wuchs höhere Pflanzenarten gekürzt und kleinwüchsige Pflanzen haben somit die Chance des Überlebens.

In den Kreidebrüchen handelt es sich im Prinzip um natürliche Standorte. Auch, wenn die Brüche an sich menschlichen Ursprungs sind, hat sich der HTR, eine botanische Besonderheit, ohne den Einfluß des Menschen nach dem Auflassen entwickelt.

Bedingt durch den Artenreichtum der Pflanzen stellt der HTR eine der wichtigsten Lebensraume für Falter, Käfer, Spinnen, Schnecken, Amphibien und Reptilien dar.

Er kommt hier nicht nur in seiner typischen Form vor, mit den Pflanzen Echtes Labkraut, Storchenschnabel, Kleiner Klappertopf, Gemeine Schafgarbe und Fuchssches Knabenkraut, sondern zeigt Übergänge zu anderen Biotopen.

Wie z.B. die Grünlandarten Glatthafer, durch angrenzenden Ackerbau wahrscheinlich eingewandert, Wiesenlabkraut, Rotschwingel, Riesen - Straußgras oder Löwenzahn. Im Sohlenbereich des Kreidebruchs, vom Kleingewässer beeinflußt, finden sich zahlreiche Standorte des Rohr - Glanzgrases. Es ist ein Anzeiger für stark schwankenden Wasserstand an sehr nährstoff- und basenreichen Standorten im direkten Uferbereich und immer auf gleichem Niveau wie die Wasseroberfläche.

Nitrophile Staudenfluren:

An einigen Flächen des Kreidebruchgeländes sind umfangreiche Bestände der Großen Brennessel zu verzeichnen, besonders im Sohlenbereich über dem Niveau des Wasserstandes. Diese Pflanze ist Anzeiger für hohen Stickstoffanteil im Boden, wahrscheinlich vom benachbarten Acker durch Niederschläge eingewaschen. Ein weiterer typischer Besiedler frisch - feuchter Ton- und Lehmböden, die von den Hängen heruntergespült wurden, ist die Kanadische Goldrute. Auf Grund eines hohen Nährstoffangebotes kann sie eine Höhe bis zu 2m erreichen.

Röhrichte:

Als Röhrichte werden am oder im Wasser stehende und morphologisch ähnliche Pflanzen, wie Gräser, Simsen und Rohrkolben benannt. Im Gummanzer Kreidebruch treten Röhrichte an mehreren Uferabschnitten des Gewässers auf. Hier sind sowohl der Schmalblättrige wie auch der Breitblättrige Rohrkolben anzutreffen. Sie weisen auf Nährstoffreichtum hin.

Pioniergehölze, Gebüschgesellschaften und waldartige Bestände:

Ein arten- und strukturreiches Biotop mit Pioniergehölzen, Gebüschgesellschaften und waldartigen Beständen, mit einem hohen Anteil an gefährdeten Arten, finden sich vor allem in den Randbereichen und den ehemaligen Aufbereitungsflächen.

Am West- und Nordhang des Bruches findet vor allem der Eingrifflige Weißdorn gute Wachstumsbedingungen. Außerdem wachsen hier die Sal - Weide, der Schwarze Holunder, der Rote Hartriegel, die Hundsrose und die Waldrebe. Die genannten Arten kommen als Einzelgehölze und in Gebüschgruppen bis hin zu waldartigen Beständen in unterschiedlicher Zusammensetzung vor. In den Gebüschgruppen halten sich Amsel, Buchfink, Kohlmeise, Goldammer und Stieglitz gern auf.

5. Landschaft (Moränengebiet)

Vor etwa 30 Mio. Jahren, während der Braunkohlenzeit (Tertiär), begann sich das Klima auf der gesamten Erde langsam abzukühlen. (Atmosphäre filtert Sonnenstrahlen und andere Einflußfaktoren) Im Skandinavischen Raum bildete sich vor 500 000 Jahren eine riesenhafte Gletschermasse, das Inlandeis.

Der Rand dieser Eismassen schob sich dreimal besonders weit nach Süden. Wir sprechen von drei Eiszeiten, der letzten Eiszeit vor 12 000 Jahren, der Weichseleiszeit.

Zwischen diesen Eisvorstößen (Kaltzeiten) schmolz das Inlandeis wieder ab ( Warmzeiten). Die Insel Rügen lag zu den Kaltzeiten unter einem Eispanzer von 2 000 - 3 000 m. Das auf breiter Front vorrückende Eis hatte die Wirkung einer gigantischen Planierraupe. Dabei wurden Hügel und Berge der einstigen Landschaft, bestehend aus Ton, Kreide oder anderen weichen Gesteinen, abgehobelt. Dieses Material und die aus den Gletschern ausgeschmolzenen Sand- und Geröllmassen wurden am Grunde der nachfolgenden Gletscher verfestigt.

Die Ablagerungen mit ihrer feinen Grundmasse aus Ton und Kalk (= Mergel) nennt man Grundmoräne.

In ihr stecken die vom Eis hergeschobenen und ausgeschmolzenen Gesteinsbrocken - die Geschiebe; das Gemisch heißt Geschiebemergel. In verschiedenen Küstenabschnitten (Stubnitz, Zickersche Höft) ist dies sichtbar. Verharrte der Eisrand während des Schmelzvorganges jedoch einmal längere Zeit auf einer Position, so häuften sich davor die aus dem Eis ausgeschmolzenen Lockermassen zu Endmoränen. Es können auch mehrere Endmoränen hintereinander liegen (Kies und Geschiebe). Das kurzzeitig wieder vorrückende Eis stauchte diese mitunter (Hügel) und arbeitete andere Ablagerungen mit ein. (Granitz, Dornbusch auf Hiddensee)

Hinweis auf das Kleingewässer im Sohlenbereich:

Die Entstehung des Gewässers hat zwei Ursachen: zum einen durch Oberflächenwasser (Niederschläge) und zum anderen durch den Zulauf einer kleinen Quelle von der gegenüberliegenden Hangseite. In Ufernähe hält sich die Ringelnatter auf. Im Hangbereich kann man die Zauneidechse beobachten. Gelegentlich treten Kreuzotter und Laubfrosch sowie Teichmolch und Kammolch auf.

An warmen Tagen, besonders im Juni, kann man die zu den Großlibellen gehörenden Arten, wie Große Pechlibelle und Große Königslibelle und besonders häufig die zu den Kleinlibellen zählende Art der Hufeisenazurjungfer bei ihren kunstvollen Flügen beobachten.


   Hinweise und Kommentare bitte an:  teschke@mathematik.hu-berlin.de

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